Klimaschutz
Greifswald Vorrreiterin bei Moorschutzstrategie
Moorschutzstrategie in Greifswald
Annie Wojatschke ist eine der wenigen Moorschutzmanagerinnen, die es bislang in Deutschland gibt. Die studierte Biologin bringt eine große Leidenschaft für die Natur mit und hat sich schon in ihrer Diplomarbeit mit der Entstehung und der Geschichte von Moorlandschaften befasst. Sie sagt: "Moore sind nicht nur eine faszinierende Landschaftsform. In ihnen steckt eine Menge Lernpotential, weil in ihnen Informationen zu 10 bis 20.000 Jahre Erdentwicklungsgeschichte gespeichert sind." Wojatschke ist in Greifswald als Moorschutzmanagerin damit beauftragt, die rund 1.000 Hektar großen Moorflächen in kommunaler Hand wieder zu vernässen. Ausgenommen sind Gebiete, die kleiner als fünf Hektar sind. Diese neu zu vernässen, sei nicht lohnenswert, sagt sie. Größere Flächen dagegen schon.
Moor wieder vernässen - wie geht das?
Ende des Jahres 2023 ist in ihrer Kommune eine Moorschutzstrategie als ein wesentlicher Baustein für das Erreichen der eigenen Klimaschutzziele - Klimaneutralität bis 2035 - beschlossen worden. Wie aber geht das konkret - ein Moor wieder zu vernässen? Braucht es dazu Millionen Liter von zusätzlichem Wasser? Die Klimamanagerin lacht: "Nein. Das Wasser ist ja da, wird aktuell aber abgepumpt. Tatsächlich kosten diese künstliche Entwässerungen eine Menge Geld, ganz besonders, wenn man die derzeit sehr hohen Stromkosten bedenkt. Außerdem müssten die teilweise noch aus den 1970-er Jahren stammenden Pumpwerke eigentlich erneuert werden. Dafür kommen schnell Millionen Euro zusammen. Nicht nur für unsere Klimaziele ist es viel praktischer, dem Wasser wieder freien Lauf zu lassen." Teuer werden, so die Klimaschutzmanagerin, kann das Projekt Wiedervernässung dennoch. Denn da, wo Bebauungen oder Straßen ins Spiel kommen, gelte es, nach praktikablen Lösungen zu suchen, etwa Spundwände einzuziehen oder Straßen höher zu legen.
Wiedervernässung ist in Greifswald akzeptiert
Annie Wojatschke wird nicht müde, für ihre Moorschutzstrategie zu trommeln. Sie hat die Strategie in der Bürgerschaft vorgestellt und macht auch selbst Führungen durch die Moore. Dabei stellt sie immer wieder fest, wie wenig Menschen über Moore wissen, selbst wenn es in ihrer Umgebung Moore gibt. "Da hat dann mancher nur die sogenannten Hochmoore im Kopf. Moore, über die Holzwege führen und auf denen man nicht vom Weg abkommen darf. Deshalb fragen auch viele Menschen, ob man in wiedervernässten Mooren noch spazieren gehen kann." Ein Riesenthema ist die Wiedervernässung in der Greifswalder Bürgerschaft aber schon längst nicht mehr. Anders verhält es sich mit dem ein oder anderen Pächter von kommunalem Grund: "Einige Pächter sind offen für die weitere Nutzung ihrer Parzellen unter veränderten Bedingungen, andere suchen sich einfach andere Flächen, auf denen sie ähnlich wirtschaften können wie bisher."
Für manche Landwirte gebe es ohnehin nur wenige Probleme. Annie Wojatschke erklärt: "Anders als zum Beispiel in Niedersachsen werden in unserem Bundesland etwa 45.000 Hektar Moore im eigentlichen Sinne gar nicht landwirtschaftlich genutzt, sondern nur gemulcht, um dafür die Grünlandprämie einzuheimsen. Mit dem Grünschnitt werden aber keine Tiere gefüttert, der Grünschnitt bleibt einfach liegen. Das können unsere Landwirte auch dann noch machen, wenn die Moorflächen wieder vernässt werden, man braucht dazu nur eine andere Technik. Manche Besitzer solcher Flächen sind durchaus offen für Veränderungen und für die positiven Effekte, die sich damit für den Klimaschutz ergeben."

Moorschutzstrategie: die Umsetzung wird mindestens ein Jahrzehnt dauern
Der Grund: die Kommune erwartet eine Vielzahl von Verfahren und komplizierte dazu. Bebauungspläne müssen in der Regel nicht geändert werden, wohl aber braucht es neue Planfeststellungsverfahren. Die Kommune hofft, dass die Landesgesetzgebung zeitnah Vereinfachungen in diesem Bereich auf den Weg bringen wird. Auf der Prioritätenliste ganz oben: Flächen, auf denen die Wiedervernässung besonders viel CO2-Einsparungen versprechen. Partner des Projektes werden die Wasser- und Bodenverbände sein. Annie Wojatschke: "Dort arbeiten die Leute, die im Moment dafür zuständig sind, dass Wasser wegzuschaffen. Zukünftig brauchen wir die Expertise der Verbände, um das Wasser zurückzubringen."
Das sind die einzelnen Schritte
- Datenerfassung: Welche Moorflächen sind vorhanden? Die Datenerfassung ist bereits 2023 erfolgt.
- Priorisierung: Welche Moore sollen als erste wieder vernässt und welche Kriterien werden dafür zugrunde gelegt? Die Priorisierung soll bis Juni 2024 erfolgt sein.
- Umsetzung: Die Planungen erfolgen in den Jahren 2024 bis 2026. Mit abschließenden Genehmigungen wird bis spätestes 2035 gerechnet.
Die Kosten sind gestiegen
Tatsächlich gebe es, sagt Annie Wojatschke schon seit 25 Jahren sogenannte Moorprojekte. Die zu Beginn dieser Projekte errechneten Kosten für eine Wiedervernässung pro Hektar hätten heute allerdings keinerlei Relevanz mehr. Die Kommune rechnet mit einem Vielfachen der dort genannten Zahlen, abhängig von den einzelnen Flächen. Annie Wojatschke erläutert: "Wir müssen die Standhaftigkeit von Bahndämmen prüfen, die Auswirkungen auf eine Mülldeponie und die Sicherheit von Hochspannungsleitungen. Um nur einige Problemfelder zu benennen, für die wir jeweils Gutachten brauchen. Anderswo sind Dörfer in die Moorniederungen hineingewachsen. Auch diese Fälle müssen vor der Umsetzung eingehend geprüft werden."
Auch wenn das Projekt Moorschutz nicht billig wird, für Annie Wojatschke, für Greifswald und für das Bundesland ist das gut angelegtes Geld, um die CO₂-Emissionen herunterzuschrauben und die selbst gesteckten Klimaziele zu erreichen. Mecklenburg-Vorpommern ist nämlich ein sehr moorreiches Land. Die Gesamtemissionen aus trockengelegten Mooren werden alleine in diesem Bundesland auf 5,9 bis 6,1 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent geschätzt - ein Drittel der gesamten Emissionen des Landes.
Die ausführliche Moorschutzstrategie sowie die Moorstudien aus Greifswald können Sie hier herunterladen. Die Kommune Greifswald stellt ihre Pläne ausdrücklich gerne anderen Kommunen zur Verfügung, ganz besonders kleineren Gemeinden, die sich einen eigenen Moorschutzmanager nicht leisten können.
Weiterführende Informationen bietet zudem das Greifswald Moorzentrum.
Hier finden Sie einen Mooratlas mit Daten und Fakten zu den "nassen Klimaschützern"
