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  1. Politik
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  3. Damit das Freibad Zukunft hat
Sprung ins Freibad
© AdobeStock

Schwimmbäder

Damit das Freibad Zukunft hat

von Annette Lübbers
Reporterin
19. Juni 2024
Deutschlands öffentliche Bäder schieben einen Sanierungsstau von 15 Milliarden Euro vor sich her. Doch es gibt positive Beispiele, wie sie zukunftsfähig werden können und auf diese Weise erheblich Energie und Kosten einsparen können. Wir zeigen Beispiele.

Ein eigenes Freibad in der Gemeinde. Das wünschen sich viele Bürger. Doch immer mehr Kommunen leisten sich dieses Angebot nicht mehr. Schwimmbäder sind aufwändig zu betreiben und kosten viel Geld.  Das 2.800 Einwohner zählende Niederwinkling bietet nicht nur das Vergnügen, am Ort zu baden. Erwachsene und Kinder dürfen auch kostenlos rein. "Der Gemeinderat hat das nach der grundlegenden Sanierung 2009 so entschieden", berichtet der Geschäftsführer des Kommunalunternehmens, Christian Pfeffer. Damals war auch die Liegewiese neugestaltet worden. Mit Liegeflächen aus Holz und Sonnensegeln. Modernisiert wurde auch das Kinderplanschbecken. Die Gemeinde richtete zudem die Parkplätze her. Zuvor kostete der Eintritt 2 Euro. Hätte man nicht gerade nach der teuren Sanierung den Eintritt erhöhen sollen? "Dann wäre das Freibad vielleicht nicht mehr so gut angenommen worden", sagt Pfeffer. "Und schon so hätten die Einnahmen den Aufwand, den Eintritt zu kassieren und zu kontrollieren, nicht gerechtfertigt."

Freibad: Freier Eintritt

Doch nicht nur der freie Eintritt ist etwas Besonderes: Das Schwimmbad wird über sogenannte Absorber-Platten solar beheizt. Die Absorberanlage befindet sich am Dach des Betriebsgebäudes und erwärmt über die technische Vorrichtung das Beckenwasser für das Kinderbecken und das Schwimmerbecken. Installiert wurde diese Anlage bereits 2008/2009 mit der Generalsanierung des Freibades.  „Wenn die Wassertemperatur aktuell 25 Grad beträgt, wird das Wasser durch die Anlage um etwa 5 Grad wärmer", erläutert Pfeffer den Effekt. Die Anlage wird durch das Bauhofteam betreut. Ehrenamtliche Helfer unterstützen beim Betriebsablauf und bei den sicherheitstechnischen Voraussetzungen.

Lippe Bad in Lünen - Thermoskannen-Prinzip

Einen anderen Weg ist man im westfälischen Lünen gegangen. Das dortige Lippe Bad ist das erste Schwimmbad Deutschlands, das komplett im Passivhausstil gebaut wurde.  „Eine Art Thermoskanne“ nennen das die Betreiber. Teil der „Thermoskanne“: Zwei 25-Meter-Sportbecken mit Sprungbereich, ein Lehrschwimmbecken mit Hubboden und ein Warmwasserbecken für die Kleinen. Die Wärmeverluste reduzieren sich enorm, die optimale Dämmung sorgt dafür, dass die Feuchtigkeit höher sein kann als in konventionellen Hallenbädern. Wände, Decken und Fenster sind so warm, dass sich trotz hoher Luftfeuchtigkeit kein Kondenswasser bildet. Das Ergebnis: Wasserersparnis durch niedrige Verdunstungsraten und ein Plus an Hygiene. Das tragende Dachwerk ist aus Holz – ein gegen Chlor unempfindlicher Baustoff.

Thermoskanne Symbolbild

Die Wärme besorgt ein mit Biogas betriebenes Blockheizwerk, dessen Abwärme mithilfe einer Brennwerttechnik zur Beckenwassererwärmung genutzt wird. Zudem liefert eine sich mit der Sonne drehende 110-Kilowatt-PV-Anlage Strom und selbst das Regenwasser wird genutzt.  Zur Badewasseraufbereitung selbst kommt ein sogenanntes Ultrafiltrationsverfahren mit optimierter Hydraulik und effizienten Pumpsystemen zur Anwendung. Wassersparende Duschen, WC und Urinale sind natürlich ebenfalls Standard. Was an Niederschlagswasser und Rückspülwasser nicht genutzt werden kann, wird – nach entsprechender Aufbereitung – in die nahe Lippe geleitet.

Schwimmbad Bad LIppe

Gerd Koch ist der Geschäftsführer des kommunalen Schwimmbadbetriebs. „Decke und Wände absorbieren den Schall und die Maßnahme haben wir in jedem Stadium messtechnisch begleitet. Schon deshalb, weil wir der Meinung sind, dass die Akustik sowohl für die Besucherinnen und Besucher als auch für das Personal großen Anteil daran haben, ob der Aufenthalt höchsten Qualitäten entspricht,“ sagt der Prokurist.  Versteht man in anderen Bädern beim Toben einer Schulklasse kaum noch das eigene gesprochene Wort, verkraftet das Lippe Bad gleich mehrere Schulklassen auf einmal.

Erstes deutsches Hallenbad in Passivbauweise

Seit nunmehr 12 Jahren zieht das Bad nicht nur einheimische Gäste an, die sich sportlich betätigen oder einfach nur entspannen wollen. Das erste deutsche Hallenbad in Passivbauweise hat auch schon Delegationen aus europäischen Ländern wie England oder Schweden in seinen Bann gezogen. Selbst eine chinesische Delegation hat sich dieses besondere Bad bereits angesehen. Gerd Koch hofft, dass das Beispiel weiter Schule machen wird und hat dafür sehr überzeugende Argumente: „Wir haben unsere Zielvorgaben – 1.000 Tonnen weniger CO₂ und Kosteneinsparungen von 50 Prozent pro Jahr gegenüber einem vergleichbaren, herkömmlichen Bad – erreicht. Ebenso wie die angestrebten Besucherzahlen von 230.000 inklusive Schulklassen und Vereinen im Jahr.“  

Grafik Bäder

Dafür hat das Projekt natürlich auch mehr gekostet als ein konventionell errichtetes Bad: satte 14 Millionen Euro. Etwas mehr als zehn Jahre später kann das als Schnäppchen gelten. Gerd Koch: „Heutzutage müsste man das Doppelte veranschlagen!“ Manchmal kann es sich also lohnen, innovative Projekte eher früher als später anzugehen. Fördermittel gab es auch, aber die hielten sich mit 14 Prozent in Grenzen und wurden auch nicht für den Bau selbst ausgegeben. „Langfristig erschien es uns sinnvoller, das Geld in effiziente Einsparmaßnahmen zu investieren“, unterstreicht Gerd Koch.

Minimalistische Planung im Schwimmbad

Außerdem habe man, sagt der Stadtwerke-Prokurist, eine minimalistische Planung vorgenommen. Keine Spaßbad- und Wellness-Elemente, keine Saunalandschaft und keine aufwändige Gastronomie. „Wir haben auf das Bedarfsminimum gesetzt und wollten unserer Brot-und-Butter-Aufgabe für die Bevölkerung gerecht werden. Für Koch und seine Stadt hat sich die langjährige Beschäftigung mit der Passivhaus-Technologie aber noch aus anderen Gründen bezahlt gemacht. Der Lerneffekt – auch für andere kommunale Projekte – sei enorm gewesen. „Mittlerweile sind wir in Lünen schon etwas wie Überzeugungstäter. Sieben Sporthallen sind seitdem in diesem Baustil errichtet worden und weiter geht es mit den Kindertagesstätten. Unsere Nachhaltigkeitsbestrebungen und unser Engagement in Sachen Betriebskostensenkungen werden auch in der Bevölkerung sehr honoriert. Das geht nur, wenn die Politik mitzieht. Und das tut die Kommune ohne Wenn und Aber.“

Grafik Bäderschließungen

Rund 6.000 Frei- und Hallenbäder gibt es nach Angaben der „Bäderallianz“, viele sind aus den 1960-er und 70-er Jahren, andere zumindest aus den 90-er Jahren. Dr. Gerd Koch glaubt dennoch nicht, dass es immer ein Neubau sein muss. „Sanierungen auf Passivhaus-Standard sind möglich, wenn die Substanz einigermaßen gut ist. Nur bei einer schlechten Bausubstanz müsste man mit zu vielen Überraschungen rechnen. Dann ist man mit einem Neubau tatsächlich besser beraten.“ Der müsse dann allerdings auch von der Bevölkerung angenommen werden, selbst wenn die Eintrittspreise nicht mehr ganz so moderat wie früher seien. „Allerdings sollte der Besuch eines Bades wie unseres schon das Äquivalent eines Kaltgetränks wert sein.“

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