Tourismus - Fluch oder Segen?
Was passiert, wenn der Tourismus einbricht?
Was geschieht, wenn die Zahlen einbrechen, hat man im Kurort Bad Aibling erlebt. 1995 gab es dort 3.000 Gästebetten, dann kam die Krise und im Jahr 2005 waren es nur noch 1.300 Betten – mit allen Folgeerscheinungen. „Das verändert ein Stadtbild komplett“, so Thomas Jahn, der Geschäftsführer der AIB-KUR GmbH & Co. KG. „Die Hotel-Infrastruktur verschwindet, der Einzelhandel, die Gesundheitseinrichtungen, die Arbeitsplätze…“ In den letzten Jahren hat man sich daran gemacht, die Entwicklung wieder umzudrehen. „Qualität vor Quantität“ lautet nun die Devise in Bad Aibling mit Schwerpunkt auf dem Gesundheits- und Erholungstourismus. Im Moment liegt das Verhältnis bei 2.000 Gästebetten zu 20.000 Einwohnern. Laut Jahn ist der Tourismus eindeutig der wichtigste Wirtschaftsfaktor für Bad Aibling, von dem auch die Bürger erheblich profitieren, insbesondere was das reiche kulturelle Angebot vor Ort anbelangt. Um den Tourismus zu fördern, brauche es das klare Bekenntnis der Politik, auf diesen Wirtschaftszweig zu setzen. „Wenn die Politik nicht an ihre eigene Stadt glaubt, wird es schwierig“, sagt Jahn.
Tourismus macht Städte offen und liberal
Auch die malerische Kleinstadt Rothenburg ob der Tauber wäre ohne den Tourismus nicht das, was sie ist. „Wir akquirieren über den Tourismus ein Drittel der Wirtschaftskraft, die anderen zwei Drittel über das starke Gewerbe und die Industrie vor Ort“, sagt Bürgermeister Walter Hartl und auf knapp 11.000 Einwohner kamen im vergangenen Jahr 560.000 Übernachtungen von Gästen aus aller Welt. Ein beachtliches Verhältnis, das sich gerade in den Sommermonaten auf den gut gefüllten Hauptgassen der Kleinstadt widerspiegelt. Das gefalle nicht immer allen, sagt Hartl, aber insgesamt sei die Stimmung sehr gut. Durch den Tourismus sei Rothenburg eine weltoffene und liberale Stadt und man dürfe sich nicht ausruhen und meinen, die Leute kommen von alleine. Um zu gewährleisten, dass Rothenburg ob der Tauber auch in Zukunft als Touristenziel attraktiv bleibt, setzt die Stadt auf Qualität und Regionalität, ruft Themenjahre aus und stimmt sich eng mit dem Tourismusgewerbe vor Ort ab.

Bamberg lässt die Einwohner mitgestalten
Als Welterbestadt ist auch Bamberg ein Touristenmagnet. Fast acht Millionen Tagesbesucher zeugen davon. So beziffert das Deutsche Wirtschaftswissenschaftliche Institut für Fremdenverkehr den touristischen Bruttoumsatz in Bamberg auf 330 Millionen Euro. „Der Tourismus zahlt sich aus – in Euro und Cent für viele Branchen und in Form sicherer, ortsgebundener Arbeitsplätze für die Einwohner“, so der zweite Bürgermeister Christian Lange. Gleichzeitig führt der Anstieg der Gästezahlen zu „einer immensen Beanspruchung des begrenzten öffentlichen Raums“, wie Tourismusdirektor Andreas Christel ergänzt, und besonders an den Wochenenden verstärke sich der Druck auf den Altstadtkern. Aus diesem Grund hat man sich in Bamberg intensiv mit den Möglichkeiten der Entzerrung und Lenkung der Besucherströme beschäftigt und durch Abwandlung von Routenverläufen, Kooperation mit dem Landkreis sowie entsprechendes Marketing den Besucherzuspruch in den Randbereichen und außerhalb der Hauptsaison erfolgreich gesteigert. Mit Aktionstagen, Befragungen und Diskussionsforen würden auch die Einwohner in die Prozesse miteinbezogen.

"Grenzgang zwischen Bereicherung und Belastung"
Die Koordination der Besucherströme ist auch in der Dreiflüssestadt Passau die größte Herausforderung – nicht nur an Land, sondern auch auf dem Wasser. Etliche Kabinenschiffe schiffen hier täglich ein und aus, zudem machen viele Flusskreuzfahrten einen Tageshalt - Tendenz steigend. So wurde ein neuer Anlegesteg gebaut und die zentrale Fritz-Schäffer-Promenade umgebaut und für die Reisegruppen vergrößert. Zudem bemüht sich die Stadt, durch den Bau weiterer Stromanschlüsse für die liegenden Schiffe die Vermeidung von Lärm und Abgas zu gewährleisten. „Um den Grenzgang zwischen Bereicherung und Belastung als Kommune zu meistern, gibt es letztlich nicht die eine Lösung, sagt Alfred Bauer von der Hochschule in Kempten und Vorsitzender des Bayerischen Zentrums für Tourismus e.V., das im Juli die Arbeit aufnehmen soll. „Die Kommunen befinden sich tatsächlich in einem Spagat“. „Wenn Sie eine gewisse Wirtschaftskraft erreicht haben, möchten Sie auf diese natürlich nicht mehr verzichten, gleichzeitig soll der Tourismus nicht zur Belastung werden“. Beim oft zitierten „Overtourism“ handle es sich nicht um ein flächendeckendes Phänomen in Bayern, sondern um Erscheinungen an speziellen „Hot Spots“, die sich großer Beliebtheit bei Urlaubern und einheimischen Tagesgästen erfreuen. Das wichtigste Thema sei meist der Verkehr und seine Belastungen in Form von Staus und von Parkplatzsuchverkehr. Nach Meinung von Bauer werde es ohne den verstärkten Ausbau von öffentlichen Verkehrsangeboten für die Touristen und die Einheimischen nicht gehen. Die „Umlenkung“ von Gästeströmen hält Bauer für eine Wunschvorstellung, denn „wenn jemand aus Asien kommt und nach Neuschwanstein will, dann bekommen Sie ihn nicht woanders hin“. Das vielleicht Wichtigste zur Vermeidung von Konflikten aber sei die Einbindung der Bevölkerung vor Ort. „Partizipation schreiben sich ja viele Kommunen auf die Fahnen, aber in der Praxis ist sie oft anstrengend. Doch es lohnt sich definitiv, die Einheimischen viel stärker mit einzubinden“, ist Bauer überzeugt. Entscheidend sei dabei nicht zuletzt auch die Art der Kommunikation. „Das, was man als Kommune tut, ist für die Einheimischen und für die Touristen gut – in dieser Reihenfolge.“

