Studie
Straßen, Brücken, ÖPNV: Kommunen fehlen 372 Milliarden Euro
Verkehrsinfrastruktur in Kommunen: allein 714.000 km Straßen
Die Auswertungen ergaben für die Straßen in den Kommunen eine Länge von knapp 714.000 Kilometer. Die Länge der Straßenbrücken in Kommunen beträgt rund 3.600 Kilometer und die der kommunalen Straßentunnel sind knapp 1.400 Kilometer lang. Die U-Bahn-Gleise strecken sich über rund 900 Kilometer und die der Straßenbahnen auf 6.320 Kilometer, davon verlaufen 451 Kilometer Gleise unterirdisch. Zum Zustand der Verkehrsinfrastruktur wurden die Kommunen befragt. Die Rücklaufquote der Kommunalumfrage weise eine relativ gleichmäßige Verteilung über sämtliche kommunale Größenklassen und Regionen in Deutschland auf, so das Difu. Für alle Regionen und Einwohnergrößenklassen gab es Stichproben, die valide statistische Auswertungen und Hochrechnungen erlaubten.
Kommunen: Fast jede zweite Straßenbrücke in keinem guten Zustand
Die Kommunen bewerteten immerhin ein Drittel ihrer bestehenden Streckennetze für alle Verkehrsträger als mindestens "gut“. Ein Drittel der Straßen weist jedoch größere Mängel auf.
Fast jede zweite Straßenbrücke in den Kommunen ist in keinem guten Zustand, so der Befund.
Auch bei den ÖPNV-Netzen besteht in 15 Prozent mit einem schlechten Zustand Handlungsbedarf. Die ÖPNV-Brücken und -Tunnel seien hingegen besser erhalten. Etwa zwei Drittel davon sind neuwertig oder in einem guten Zustand.
Größter Investitionsbedarf bei den Straßen
Für alle untersuchten Infrastrukturbereiche zusammen ermittelte das Difu bis zum Jahr 2030 Investitionsbedarfe von insgesamt etwa 372 Milliarden Euro. Mit rund 283 Milliarden Euro entfällt der deutlich größte Teil auf den Nachhol- und Ersatzbedarf bei der Straßenverkehrsinfrastruktur der Kommunen.

Bei der ÖPNV-Infrastruktur lässt sich der Nachhol- und Ersatzbedarf bis zum Jahr 2030 auf 64 Milliarden Euro beziffern. Der größte Teil der voraussichtlich erforderlichen Investitionen gilt U-Bahn- sowie Stadt-/Straßenbahnstrecken in Tunnellage. Für die Erweiterung der Straßen- und ÖPNV-Infrastruktur – vor allem bei wachsenden Städten – ergibt die Difu-Modellschätzung einen Bedarf von rund 25 Milliarden Euro.
Für die Schätzung des Investitionsbedarfs hat das Difu nach eigenen Aussagen eine Methodik entwickelt, die vor allem das Alter und den Zustand der vorhandenen Infrastruktur berücksichtigt. Hinsichtlich der notwendigen Verkehrswende wurde auch der bis 2030 zu erwartende Umbaubedarf auf Basis vorliegender Schätzungen und Projektionen abgeleitet und an einem Referenzszenario gespiegelt, das einer Fortschreibung des Status quo ohne besondere transformative Elemente entspricht.
Verkehrswegenetz umbauen
"Ein effektives Verkehrswegenetz ist eine zentrale Voraussetzung für das Funktionieren von Gesellschaft und Wirtschaft. Der heutige motorisierte Individual- und Güterverkehr verursacht jedoch rund ein Fünftel der durch Deutschland verursachten Treibhausgasemissionen. In der Vergangenheit wurden hier keine Einsparungen erzielt, obwohl das Klimaschutzgesetz signifikante Einsparungen zwingend vorsieht", kritisieren die Experten.
Maßnahmen priorisieren
Als Baulastträger stünden die Kommunen vor der großen Herausforderung, eine gut funktionierende Infrastruktur zu gewährleisten und gleichzeitig den Wandel zu einem nachhaltigen Verkehrssystem voranzutreiben. "Angesichts des Umfangs der Aufgaben wird klar: Ohne eine kluge, zielgerichtete Priorisierung von Maßnahmen sowie ohne die Unterstützung der jeweiligen Länder und des Bundes wird es nicht gehen", so das Fazit.
Kommunen fordern langfristigen Investitionsfonds
Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, sagte mit Blick auf die Ergebnisse der Studie zu KOMMUNAL: "Deutschland ist nicht nur der kranke, sondern auch der kaputte Mann in Europa. Jahrelang haben wir die Infrastruktur auf Verschleiß gefahren." Die Politik habe sich stark den Ausbau des Sozialstaates konzentriert, mit vermeintlich besseren und gerechteren Leistungen. Landsberg fordert: "Wir brauchen jetzt einen Kraftakt, um die Zeitenwende in der Infrastruktur einzuleiten. Aus eigenen Mitteln schaffen die Kommunen das nicht." Im ersten Halbjahr 2023 betrage das kommunale Defizit über 6 Milliarden und Besserung sei nicht in Sicht. "Nötig ist ein langfristiger Investitionsfonds, den Bund und Ländern auflegen sollten, um auch Planungssicherheit zu schaffen. Das wäre zugleich ein Konjunkturprogramm, da ein Euro öffentliche Investition mindestens 3 Euro private Investition schafft. Nur damit können wir die Lebensbedingungen vor Ort verbessern und die Lage der Wirtschaft verbessern."
Verkehrswende muss Kommunen nicht zusätzlich belasten
Im Rahmen der Studie wurden für einen nachhaltigen Umbau zentrale Elemente einer nachhaltigen Mobilität identifiziert: der Ausbau des ÖPNV, die Schaffung von Mobilitätsstationen mit Sharingangeboten, digitale Informationssysteme und sichere Stellplätze für Fahrräder sowie die Elektrifizierung des Verkehrs – insbesondere durch den Ausbau öffentlicher Ladeinfrastruktur. Insgesamt werden hierfür bis zum Jahr 2030 – abhängig von der konkreten Ausgestaltung – zusätzliche Investitionen im Umfang von rund 39 bis 63 Milliarden Euro zur Realisierung der Verkehrswende geschätzt. Gleichzeitig könnten laut Difu bei einer konsequenten Umsetzung der Verkehrswende Einsparungen bei Straßen und Stellplätzen von rund 21 bis 63 Milliarden Euro realisiert werden. Die Experten sagen: "Vor dem Hintergrund der im laufenden Jahrzehnt ohnehin anstehenden Investitionen muss die Verkehrswende die Kommunen nicht zusätzlich finanziell belasten. Voraussetzung dafür ist der Mitteleinsatz hin zu einem neu ausgerichteten, nachhaltigen Verkehrssystem."
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