Bundestagswahlen
Wahlrecht für Auslandsdeutsche faktisch außer Kraft gesetzt
Auslandsdeutsche - ein nicht unwesentlicher Teil der Wahlberechtigten
Die Auslandsdeutschen – und damit alle Deutschen ohne Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt in Deutschland – stellen einen nicht unwesentlichen Teil der Wahlberechtigten der Bundesrepublik Deutschland dar. Obwohl ihre Zahl steigt, nimmt nur ein Bruchteil von ihnen an Bundestagswahlen teil. Die Wahlbeteiligung lag zuletzt bei unter drei Prozent. Konkrete Zahlen und Statistiken liegen nicht vor, Gründe sind nicht hinreichend untersucht. Eine breitere rechtliche, politische und gesellschaftliche Debatte zum Wahlrecht und zur Wahrnehmung des Wahlrechts von Auslandsdeutschen findet nicht statt.
Notwendig und möglich ist es, demokratische Teilhabe von Auslandsdeutschen – auch durch Wahrnehmung des Wahlrechts – zu erhöhen und damit die Interessensvertretung der Auslandsdeutschen und die Demokratie zu stärken. Dabei sind zur Steigerung der Wahlbeteiligung tatsächliche Grenzen und rechtliche Hürden zu beseitigen. Dies gilt insbesondere für das für Auslandsdeutsche umständliche und Zeitressourcen bindende Eintragungsverfahren in das Wählerverzeichnis. Es sind formelle Handlungserleichterungen zu entwickeln, damit das Wahlrecht von Auslandsdeutschen verstärkt wahrgenommen werden kann. Der Charakter des gesamten Wahlverfahrens als Distanzwahl und die ausschließliche Möglichkeit der Briefwahl für Auslandsdeutsche sind kritisch zu bewerten. Deshalb sind Präsenzwahlen in Auslandsvertretungen, die Schaffung von Auslandswahlkreisen sowie die Option von E-Voting für Auslandsdeutsche möglich zu machen.
Das Wahlrecht für Auslandsdeutsche ist verfassungsrechtlich umstritten
Berührt werden grundsätzliche Aspekte des Wahlrechts und die allgemeinen Wahlgrundsätze (allgemein, unmittelbar, frei, gleich, geheim, öffentlich) ebenso wie das demokratische Prinzip. Der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl verbietet es, bestimmte Gruppen der Bevölkerung – und damit auch Auslandsdeutsche – von der Ausübung des Wahlrechts auszuschließen. Politische Willensbildung ist allerdings kein einmaliger Vorgang, sondern ein Diskurs der Interessen und Meinungen, der im Ergebnis in einer Entscheidung von gewählten Repräsentanten Berücksichtigung findet. Diese politische Willensbildung ist somit von den dauerhaften Kommunikationsprozessen zwischen Wählern und Gewählten geprägt. Diese Prozesse sind für Auslandsdeutsche mit besonderen Herausforderungen versehen. Voraussetzung ist jedenfalls, dass Informationen übermittelt und erhalten werden können, Diskurs möglich ist und auch stattfindet. Ist diese Kommunikation nicht gewährleistet, müssen Ausnahmen von dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl vorgesehen werden, so wie dies etwa auch im Hinblick auf das Wahlrecht für Kinder verfassungsrechtlich zulässig festgelegt wurde. Auch der Ausschluss von Auslandsdeutschen an der Wahl kann deshalb mit Rücksicht auf die Sicherstellung der Kommunikationsfunktion der Wahl gerechtfertigt sein. Der Ausschluss von Auslandsdeutschen geht sodann von der rechtlich zulässigen Annahme aus, dass für die Teilnahme am Kommunikationsprozess nicht nur technische Möglichkeiten ausreichen, sich vom Ausland über die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Vorgänge in Deutschland zu informieren, sondern auch die persönliche und unmittelbar erworbene Vertrautheit mit dem politischen System der Bundesrepublik Deutschland erforderlich ist. Erst dann ist der Auslandsdeutsche in der Lage, eine reflektierte Wahlentscheidung zu treffen. Ferner werden so die Auslandsdeutschen vom Wahlrecht ausgeschlossen, die der deutschen Politik nicht unterliegen, keine Berührung zu ihr haben.
Ziel dieser Überlegungen ist es nicht, die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der unter vorgenannten Gedanken entwickelten derzeitigen Regelungen zu den rechtlichen Voraussetzungen des Wahlrechts für Auslandsdeutsche zu diskutieren. Vielmehr gilt zu problematisieren, dass der Wahlgrundsatz der Allgemeinheit der Wahl aktuell deshalb unzulässig beeinträchtigt wird, weil die derzeitigen Verfahren zahlreiche wahlberechtigte Auslandsdeutsche faktisch von der Wahrnehmung des Wahlrechts ausschließen. Entwickelt werden deshalb Änderungsvorschläge, die das Wahlrecht für Auslandsdeutsche nicht nur als theoretisches Recht hinterlegen.
Bemerkenswert ist, dass sich alle in Deutschland jüngst gestarteten und verstärkten Initiativen, die kriselnde repräsentative Demokratie zu stärken, nicht mit dem Thema Partizipation und Wahlrecht für Auslandsdeutsche beschäftigt haben. Ferner erstaunt, dass die Chance zur Verbesserung von internationalen Beziehungen Deutschlands und gemeinsam abgestimmter Politik durch die Einbeziehung von Auslandsdeutschen ungenutzt bleibt.
Deutschland ist ein Auswanderungsland
Deutschland ist nicht nur ein Einwanderungsland, sondern auch ein Auswanderungsland. Etwa 3,5 Millionen wahlberechtigte Deutsche leben im Ausland, davon circa 1,8 Millionen Menschen im europäischen Ausland. Auslandsdeutsche sind deutsche Staatsangehörige, sowie die ihnen nach Art. 116 Abs. 1 GG gleichgestellten Personen, die am Tag der Bundestagswahl im Ausland leben. Die Zahlen der Auslandsdeutschen werden auch in Zukunft weiter ansteigen. Gründe dafür sind etwa die globalisierten Lebens- und Arbeitswelten, fortschreitende europäische Integration, veränderte Aufenthaltsgewohnheiten, ansteigende binationale Ehen und Partnerschaften samt den daraus hervorgehenden Kindern, steigende Bildungsinteressen und damit verbundene Auslandsaufenthalte sowie die steigende Mobilität der aus dem Arbeitsleben ausgeschiedenen Menschen.
Auch die im Ausland lebenden Deutschen haben ein Wahlrecht. Sie werden grundsätzlich, können sie eine gewisse Vertrautheit mit der Bundesrepublik Deutschland nachweisen, dem Wahlkreis ihres letzten Wohnsitzes zugeordnet.
Das aktive Wahlrecht für Wahlen zum Deutschen Bundestag steht den wahlberechtigten Deutschen, die dauerhaft im Ausland leben, allerdings nur im Wege der Briefwahl zu. Zur Wahrnehmung des Wahlrechts müssen sie selbst aktiv werden und von Mal zu Mal beantragen, in ein Wählerverzeichnis aufgenommen zu werden. Auffällig ist, dass im Rahmen der jüngsten Bundestagswahlen nur rund 3,5% der grds. wahlberechtigten Auslandsdeutschen die Aufnahme in ein solches Wählerverzeichnis beantragt haben. Die Anzahl der tatsächlich abgegebenen gültigen Stimmzettel muss damit noch tiefer liegen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass nicht einmal 100.000 Auslandsdeutsche Einfluss auf den Ausgang der jüngsten Bundestagswahl genommen haben.
Aus rechtspolitischer Sicht besteht dringender Handlungsbedarf
Denn die Gründe liegen nicht im Desinteresse von Auslandsdeutschen an der Politik in Deutschland, der Unentschlossenheit oder einer Wahlmüdigkeit, sondern vielmehr werden Auslandsdeutsche durch das vorgegebene tradierte Wahlverfahren de facto vom aktiven Wahlrecht ausgeschlossen. Das Wahlrecht für Auslandsdeutsche ist ein nur theoretisches Recht. Gesetzgeber und Verwaltung müssen deshalb sicherstellen, dass das Wahlrecht für Auslandsdeutsche nicht nur auf dem Papier besteht, sondern auch (verbessert) wahrgenommen werden kann.
IV. Konkrete Forderungen der Stiftung Verbundenheit zur Verbesserung des Wahlrechts für Auslandsdeutsche
1. Abbau von bürokratischen Hürden und Verbesserung der Teilnahmebedingungen
Ausgangspunkt für die Teilnahme an der Wahl für Auslandsdeutsche ist die Eintragung in das Wählerverzeichnis. Dies muss von Wahl zu Wahl immer wieder von Neuem vorgenommen werden und setzt die Initiative des oder der wahlberechtigten Auslandsdeutschen voraus.
Inlands- und Auslandsdeutsche sind bei bestehendem Wahlrecht mit unterschiedlich hohen Wahlteilhabehürden konfrontiert. Inlandsdeutsche werden aufgrund des örtlichen Melderegisters in der Regel automatisch in das Wahlverzeichnis aufgenommen und bekommen eine Benachrichtigung. Mit dieser – und dem gültigen Personalausweis – kann gewählt werden. Dagegen muss der oder die wahlberechtigte Auslandsdeutsche sich mittels eines papierbasierten (analogen) Antragsverfahrens vor jeder Bundestagswahl erneut in das Wählerverzeichnis einer Kommune eintragen lassen. Die Auslandsdeutschen finden nicht von Amts wegen Aufnahme in das Wählerverzeichnis. Das kann deshalb aktuell nicht möglich gemacht werden, weil aus Sicht der Wahlbehörde keine anderweitigen nutzbaren Datenbestände bestehen, die sicherstellen, dass der Eintrag aus dem letzten Wählerverzeichnis noch aktuell ist.
Nach erfolgreichem Antrag und Aufnahme in das Wählerverzeichnis erhält der oder die Auslandsdeutsche postalisch die Briefwahlunterlagen an den aktuellen ausländischen Wohnsitz, die er oder sie dann fristgerecht zum Wahltermin auf eigene Kosten zurück in die Bundesrepublik Deutschland schicken muss.
Die mit dieser Ausgestaltung als Distanzwahl verbundenen Erschwernisse und Inkompatibilitäten stellen das dafür tragende Argument – die Sicherstellung der Allgemeinheit der Wahl – wieder in Frage. Die ausschließliche Möglichkeit der Briefwahl verhindert vielfach tatsächlich die Ausübung des aktiven Wahlrechts. Zu benennen sind als auftretende Unwägbarkeiten allen voran die zeitliche Dauer der Postwege und die Unzuverlässigkeit von Postwegen in Ländern mit eingeschränkter Infrastruktur in Verbindung mit den Anforderungen der rechtzeitigen Einreichung des Antrages auf Eintragung in das Wählerverzeichnis, die anschließende Zustellung der Wahlunterlagen und eine fristgerechte Rücksendung. Auf die transportbedingte Beschädigungs- und Verlustgefahr bei Post aus dem Ausland ist darüber hinaus zu verweisen.
Das Angebot (viel zu weniger) Botschaften und Konsulate, die Wahlunterlagen mit dem deutlich sichereren und schnelleren diplomatischen Kurierdienst schicken zu lassen, ist nicht ausreichend, um das Wahlrecht zu ermöglichen. Die Beschwerden von Auslandsdeutschen darüber, dass Briefwahlunterlagen die Adressaten verspätet oder überhaupt nicht erreichen, sind vor diesem Hintergrund nachvollziehbar und schlüssig.
Die prozedurale Ausgestaltung der Wahl, die auf einen reinen Inlandsbezug ausgerichtet ist, muss deshalb um ein besonderes Verfahren für die Auslandsdeutschen erweitert werden. Die gemeindlichen Wahlbehörden können auf postalischem Wege nicht weltweit Prozesse sicherstellen, die für einen reinen Inlandsbezug gedacht sind und schon bei der Betrachtung von Fristen (z. B. Einsprüche gegen fehlerhafte Eintragungen in das Wählerverzeichnis) faktisch unmöglich werden. Eine effektive Wahlteilnahme ist für Auslandsdeutsche nicht möglich, bestehende Hürden führen zu einem faktischen Ausschluss vom aktiven Wahlrecht. Nicht verständlich ist es ferner, dass Auslandsdeutsche die Kosten für die Abgabe ihrer Stimme übernehmen müssen.
Zusammengefasst: Hohe Hürden zur Eintragung in ein Wählverzeichnis und lange, wie unsichere Postlaufwege schränken die Motivation und die tatsächliche Möglichkeit der Wahrnehmung des Wahlrechts für Auslandsdeutsche massiv ein.
ein Ausweg: Die Digitalisierung
2. Digitalisierung des Eintragungsverfahrens / elektronisches Antragsverfahren
Digitalisierungsfortschritte erlauben es, ein elektronisches Antragsverfahren und damit die digitale Eintragung in das Wählerverzeichnis zu ermöglichen. Internationale Vorbilder für ein elektronisches Antragsverfahren gibt es. So führt beispielsweise Frankreich ein gesondertes Auslandsbürgerregister. In dieses Auslandsbürgerregister können sich Auslandsfranzosen auf elektronischem Weg eintragen. Auch Italien ist beispielgebend: Italien trägt Auslandsitaliener von Amts wegen in ihre Wählerverzeichnisse ein und sendet ihnen im Anschluss die Briefwahlunterlagen zu. Sichere digitale Kommunikationsverfahren (elektronische Identifizierungsmittel), die sich jüngst entwickelt haben, müssen zur Ermöglichung wie Erleichterung des Wahlrechts für Auslandsdeutsche genutzt werden. Zu den rechtlichen Hürden und erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen darf mit Blick ins demokratische europäische Ausland festgehalten werden, dass offenkundig rechtmäßige Regelungen geschaffen werden können. Der Gedanke des deutschen Gesetzgebers, das Sicherheitsniveau der Wahl zu erhalten und Irrläufer bei einer Briefwahl zu vermeiden, verkennt den technischen Fortschritt in digitalen Kommunikationsverfahren. Der deutsche Gesetzgeber verkennt ferner, dass Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit der – nicht nur inländischen – Briefpostsysteme mit Blick auf die veränderten (digitalen) Kommunikationssysteme weiter und weiter reduziert werden.
Es ist unverständlich, dass mit dem tradierten Eintragsverfahren Auslandsdeutschen, die an einer Wahl teilnehmen dürfen und wollen, unerhebliche Lasten und auch Risiken aufgebürdet werden. Nachvollzogen werden kann nicht, wie ein elektronisches Antragsverfahren das Vertrauen von Bürgern in den ordnungsgemäßen Ablauf der Wahl erschüttern sollte. Auch der Wahlgrundsatz der Öffentlichkeit der Wahl ist nicht berührt, es geht vielmehr um eine reine Vorbereitungshandlung zur Wahl.
Zusammengefasst: Die Beschränkung auf postalische und analoge Verfahren zur Eintragung in ein Wählerverzeichnis ist aus der Zeit gefallen. Die Digitalisierung des Eintragungsverfahrens beseitigt bürokratische Hindernisse, gibt zeitgemäße Antworten auf die Digitalisierungsprozesse, schafft einen niederschwelligen Zugang zur Wahrnehmung des Wahlrechts und ermöglicht in vielen Ländern die Wahrnehmung des aktiven Wahlrechts.
3. Direktwahl in Auslandsvertretungen
Die deutschen Auslandsvertretungen sollten wahlbehördliche Funktionen übernehmen (dürfen). Die bisherige Funktion der Auslandsvertretungen, im Rahmen der Wahlverfahrung nur zur Beschleunigung der Beförderung der Wahlbriefe beizutragen, ist unzureichend.
Ein Angebot der Präsenzwahl in konsularischen Vertretungen durch die Einrichtung von Wahlkabinen muss möglich gemacht werden.
Dazu sind neue Wahlverfahren für Auslandsdeutsche zu entwickeln, insbesondere Änderungen des Wahlrechts im Hinblick auf die Zuordnung der Erststimmen. Nur so ist der Wahlgrundsatz der Geheimheit der Wahl sicherzustellen, da nur wenige Menschen im Ausland einem Wahlkreis zuzuordnen sind. Ferner ist der Aufwand (zeitlich wie organisatorisch) zu hoch, um alle Stimmzettel aus allen Wahlkreisen in allen Auslandsvertretungen vorzuhalten.
Zusammengefasst: Ermöglichung der Direktwahl in Auslandsvertretungen und damit Abkehr von der reinen Briefwahl.
4. Einführung von Wahlkreisen im Ausland
Ein Aufenthalt im Bundesgebiet ist nicht erforderlich, um eine geregelte Zuordnung der Auslandsdeutschen zu den Wahlkreisen (letzter Wohnort) zu regeln. Es sind deshalb Auslandswahlkreise zu bilden, wie dies beispielsweise in Frankreich und Italien bereits der Fall ist. Damit werden die Wahlbeteiligung erhöht, die Repräsentation verstärkt und internationale Verbindungen ausgebaut. Die spezifischen Interessen von Auslandsdeutschen werden schlüssiger aufgenommen und vertreten. Auslandswahlkreise reduzieren ferner den Aufwand für die deutschen Auslandsvertretungen, eine Urnenwahl zu ermöglichen.
Optional sollte – anstelle der Wahl im Auslandswahlkreis – die Wahl in der früheren Wohnsitzgemeinde in Deutschland eröffnet werden. Für in grenznahen Gebieten zu Deutschland wohnende Auslandsdeutsche kommt ferner die optionale Zuordnung zu einem Wahlkreis einer benachbarten Gemeinde im Bundesgebiet in Betracht. Somit wäre eine Teilnahme nicht nur per Briefwahl, sondern auch in Präsenz, durch persönliche Wahl auf deutschem Hoheitsgebiet, eröffnet.
Zusammengefasst: Schaffung von Auslandswahlkreisen sowie optionale Zuordnung der Auslandsdeutschen zum Wahlkreis der früheren Wohnsitzgemeinde bzw. grenznahen Wahlkreisen.
5. E-Voting
E-Voting (Verwendung elektronischer Hilfsmittel für die Stimmabgabe und/oder die Stimmenauszählung) ist die schlüssigste Form der Distanzwahl und sollte – ggf. als Pilotprojekt – zur übernächsten Bundestagswahl möglich gemacht werden. Damit wird der Wahlgrundsatz der Allgemeinheit der Wahl insgesamt gestärkt und die Wahlbeteiligung von Auslandsdeutschen erhöht.
Im Zentrum des Konzepts muss die Digitalisierung des gesamten Wahlvorgangs bis zur Auswertung der Stimmen stehen. Damit wird der Wahlvorgang effizienter und der Zugang zur Wahl niederschwelliger. E-Voting kann in diesem Kontext sowohl die Stimmabgabe über nicht vernetzte Wahlcomputer oder Wahlgeräte in Wahllokalen (elektronische Urnenwahlen) als auch die Online-Stimmabgabe durch die wahlberechtigten Auslandsdeutschen mittels digitaler Endgeräte (elektronische Variante der Briefwahl) umfassen. Bei der Online-Stimmabgabe könnte demnach ein stationäres digitales Endgerät, aufgestellt z. B. in einer Auslandsvertretung oder einem öffentlichen Ort, wie auch ein privates und damit ortsungebundenes Endgerät genutzt werden.
Die Einführung des E-Votings in Deutschland wird seit Jahren diskutiert, insbesondere um die Wahlbeteiligung zu erhöhen sowie Partizipation im Rahmen des veränderten und zunehmend digitalen Informations- und Diskussionsverhaltens der Bevölkerung zu verbessern.
Nach den insbesondere mit der Covid-19-Pandemie verbundenen digitalen Fortschritten, die für öffentliche Verwaltungen teilweise geradezu revolutionären Charakter haben, muss nun auch in den Themenfeldern E-Partizipation und E-Voting eine neue Dynamik entstehen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Verbot von Wahlcomputern vor 15 Jahren ist in der Post-Covid-Zeit und vor dem Hintergrund der rasanten technischen Entwicklungen neu zu betrachten. Das Vertrauen von Wählern, Wahlorganen und Öffentlichkeit in die technische Integrität des erarbeiteten Systems kann heute stärker als vor 15 Jahren hergestellt werden.
Hinzuweisen ist darüberhinausgehend darauf, dass die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des E-Votings bisher ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Inlandsbezugs beurteilt wird. Unbeachtet bleibt dagegen die Frage der Zulässigkeit nach dem Recht des Staates, in dem sich der bzw. die Auslandsdeutsche aufhält. Dabei ist – anknüpfend an diesen Gedanken – bereits unter dem Aspekt der Extraterritorialität deutschen Wahlrechts die Übermittlung von Briefwahlunterlagen durch die Gemeinde ins Ausland problembehaftet. Der extraterritoriale Wahlprozess vollzieht sich ausschließlich im Wege der Briefwahl. Dieser ist gegenüber einer Präsenzwahl wie auch einer Internetwahl deutlich höheren Manipulationsrisiken ausgesetzt.
Das System der Briefwahl zeigt, dass es Begründungen dafür gibt, die öffentliche Kontrolle der Stimmabgabe mit dem Ziel zu beschränken, möglichst umfassende Wahlbeteiligung zu erreichen. Warum soll die Fortentwicklung von E-Voting-Verfahren nicht gerade in Ländern beginnen, die mit Blick auf die derzeitigen Verfahren den faktischen (nicht rechtlichen) Ausschluss des aktiven Wahlrechts bedeuten?
Die Sicherstellung der Identität des bzw. der Auslandsdeutschen, eine gesicherte Kommunikation zwischen dem bzw. der Auslandsdeutschen und der (digitalen) Wahlbehörde, die Geheimheit der Wahl und die Sicherheit, eine Stimme auch nur einmal abgeben zu können, ist realisierbar.
Zudem sind Experimentierklauseln inzwischen auch in Deutschland bekannt. Warum nicht E-Voting für Auslandsdeutsche ermöglichen und damit zugleich Erfahrungen für eine Fortentwicklung– etwa auf kommunaler Ebene – in Deutschland schaffen?
Auch für E-Voting gibt es, ähnlich wie bei dem elektronischen Wählerverzeichnis, Referenzländer. Die Möglichkeit der Wahl per E-Voting besteht derzeit in 14 Ländern weltweit, im Wesentlichen für Personen, die sich außer Landes befinden. Nur in Estland und den Vereinigten Arabischen Emiraten können alle Bürger elektronisch abstimmen. Bemerkenswert ist, dass in Estland bereits seit über 20 Jahren Internetwahlen angeboten werden. In Ecuador, Frankreich, Mexiko, Neuseeland, Rumänien, Pakistan und Panama konnten bzw. können im Ausland lebende Wahlberechtigte online wählen. Teilweise wird E-Voting auf einzelne Gebiete oder Institutionen beschränkt, beispielsweise in Australien, Kanada und Südkorea.
Zusammengefasst: Einführung eines E-Voting - Systems für Auslandsdeutsche.
Fazit: Das Wahlrecht für Auslandsdeutsche muss dringend reformiert werden
V. Fazit:
Zahlen belegen, dass die derzeitigen Verfahren dazu führen, dass das Wahlrecht rein tatsächlich nicht ausgeübt wird bzw. nur erschwert ausgeübt werden kann. Ziel muss es sein, möglichst viele Auslandsdeutsche in die deutsche Politik und den gesellschaftlichen Diskurs einzubeziehen. Teilhabe von Auslandsdeutschen an politischen Prozessen in Deutschland und das Einbringen ihrer Gedanken stellen gerade in den Vormarschzeiten von Populisten und Nationalisten eine wichtige Bereicherung und Stärkung der Demokratie dar. Das gilt nicht nur für Friedens-, Migrations- und Wirtschaftspolitik.
Der Gesetzgeber ist aufgefordert, die Chancen des digitalen Fortschritts und die digitalen Kompetenzen von Auslandsdeutschen zu nutzen. Bürger verlangen heute nicht nur digitale Verwaltungszugänge, sondern auch Möglichkeiten der digitalen Teilhabe an politischen Prozessen auf allen Ebenen. Die Corona-Pandemie hat an dieser Stelle Entwicklungen deutlich beschleunigt.
Reagiert der Gesetzgeber nicht, wird das Interesse von Auslandsdeutschen an der Politik in Deutschland und der Teilnahme an Wahlen weiter zurückgehen. Es ist nicht hinnehmbar, dass trotz vielfältiger Reformmöglichkeiten und technischer Neuerungen die Auslandsdeutschen abgehängt werden von deutscher Politik. Sie scheitern an bürokratischen Anforderungen und anderen Hindernissen bei der Stimmabgabe.
