Tourismus
Wintersportorte im Umbruch - unsere Erfolgsbeispiele
Ökomodell Schlechinger Tal
1996 hat der Gemeinderat deshalb mit knapper Mehrheit das „Ökomodell Schlechinger Tal“ beschlossen und den Fokus seither deutlich geweitet, weg vom Schnee hin zu Nachhaltigkeit, Landwirtschaft, Energie und einem Tourismus der anderen Art. „Wir versuchen, uns auf die besonderen Qualitäten unseres Ortes zu besinnen und das, was wir haben, bestmöglich zu präsentieren. Das sind gesunde Luft, gesundes Wasser, eine intakte Natur. Und wenn genügend Schnee liegt, gibt es hier eine Langlaufloipe und eine Rodelbahn“, so Loferer. Zudem schmückt sich der Ort mit dem Prädikat „Bergsteigerdorf“ und verfügt über ein großes Wanderwegenetz. Aus Sicht des Schlechinger Bürgermeisters war diese Umstellung richtig. „Als passionierter Skifahrer sage ich: Es ist gut, wie alles gekommen ist. Wir haben unsere Heimat nicht ausverkauft und die Nachfrage der Urlauber, die den heutigen „sanften Tourismus“ schätzen, ist hoch.“Das Wichtigste sei, bei allen Veränderungen die Bürger selbst nicht zu vergessen. „Wenn es den Einheimischen gefällt, kommen auch die Leute von außen gern“, so Loferer.

Der Abschied vom Schnee ist ein emotionales Thema. Das berichtet auch Katharina Gasteiger, die als Geschäftsführerin des Netzwerks „Allianz in den Alpen“ verschiedene Kommunen begleitet. „Schnee und Skifahren sind wichtige Bestandteile im Leben all jener Bürger, die damit aufgewachsen sind und daran festhalten möchten“, sagt Gasteiger. Zudem hätte man in den Orten „lange viel Geld verdient mit dem Schnee“. Letzteres sei auch der Grund, dass manche Mitgliedskommunen nach wie vor am Wintersport festhalten und mit Schneekanonen aufrüsten, „um die goldene Kuh des Schneetourismus möglichst lange zu melken“, wie Gasteiger sagt. Dies sei durchaus verständlich, schließlich sei die Struktur oft noch stark auf den Skitourismus ausgerichtet in vielen Orten und fürchten Skischulenbesitzer, Bergbahnen-Betreiber und Schneeschuh-Verleihe um ihre Existenz. Deshalb ist aus Erfahrung von Gasteiger klar: „Wenn man sich anders aufstellt als Gemeinde, braucht es in dem Ort eine komplette Neustrukturierung in den Betrieben und dafür benötigen diese die Unterstützung der Kommune."

Viele wollen die goldene Kuh des Schneetourismus möglichst lange melken.“
Katharina Gasteiger, Geschäftsführerin des Netzwerks Allianz in den Alpen
Dabei gehe es gar nicht vorrangig um finanzielle Mittel, vielmehr könne die Kommune ein „Umdenken anregen“, wie Gasteiger sagt, Rat von außen holen und Know-how und Expertise in den Ort bringen. Auch Formate der Bürgerbeteiligung würden sich sehr bewähren. „Es ist wichtig, die Leute vor Ort abzuholen und überhaupt erstmal ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen“, sagt Gasteiger. Ist das gelungen, geht es darum, eine gemeinsame Vision zu entwickeln für den Ort. „Die Rolle des Bürgermeisters ist hierbei entscheidend, er ist klar das Zugpferd in einem solchen Prozess“, so Gasteiger.
Ganzjahres-Tourismus in den Alpenregionen
Wie der neue Ganzjahres-Tourismus dann letztlich aussehen soll, ob es ein Funpark am Berg wird oder eher sanfter Tourismus mit purer Natur, ist je nach Ausgangslage unterschiedlich. „Beides kann seine Berechtigung haben. In jedem Fall ist es wichtig, sich auf die eigenen Stärken zu besinnen und den Winter anders zu bespielen: Als eine Zeit, die auch ohne Schneemassen attraktiv sein und entsprechend vermarktet werden kann“. Das gehe häufig mit viel Kritik einher und könne ein langer und schmerzhafter Prozess ein. „Letztlich aber profitieren die betroffenen Kommunen davon.“
Das hat man in Immenstadt im Allgäu erlebt, wo bereits vor 30 Jahren das Motto lautete: „Wir geben den Berg der Natur zurück.“ Auch in Immenstadt stand das Skifahren in den Jahrzehnten zuvor hoch im Kurs, dann aber wurde der Schnee weniger und ein lokaler Betreiber musste seine Pisten und Lifte entlang der Bergrücken des Gschwender Horns aufgeben. Da die Anlage auf städtischem Grund lag, stand nun die Verwaltung vor der Entscheidung, wie es in Zukunft weitergehen soll. „Letztlich hat man sich gegen eine Beschneiung und für eine Entwicklung vom alpinen Skisport hin zu einem Ganzjahrestourismus entschieden“, berichtet Gerhard Honold, Förster in Immenstadt. Verbunden wurde dieser Prozess mit einer umfassenden Renaturierung des Berges, die von der Allianz Umweltstiftung als Pilotprojekt gefördert wurde.

Drei Jahre hat der Rückbau gedauert. Die Anlage mit den Schleppliften wurde komplett beseitigt, die Liftschneisen wurden mit Mischwald aufgeforstet und die Grünflächen nachgesät. Außerdem wurde ein Begehungskonzept erstellt und Wanderwege, Skitourenrouten, Rodelbahnen und Einkehrmöglichkeiten so angepasst, dass für die Tiere Ruhezonen entstehen. Die Natur ist seither zurückgekehrt und das Konzept aufgegangen. „Wenn man nicht ganz genau hinschaut, sieht man nichts mehr von der Vergangenheit“, sagt Honold und auch die scharfen Kritiker von einst, die einen Rückgang der Gästezahlen befürchteten, seien längst verstummt.
Immenstadt: Mehr Übernachtungen als früher
„Das Angebot heute richtet sich an Menschen, die das sanfte Naturerlebnis suchen und die Idylle schätzen, etwa Familien mit kleinen Kindern und aktive Senioren“, sagt Honold. Diese wollen sich zu jeder Jahreszeit in den Bergen bewegen und die ganzjährigen Angebote vor Ort nutzen. Hier eine gute Balance zu schaffen zwischen Naturschutz und touristischen Interessen sei durchaus herausfordernd, wie Honold sagt: „Einerseits geht es darum, sensible Räume zu schützen und Natur Natur sein zu lassen, andererseits müssen wir natürlich auch touristische Angebote schaffen“ – etwa einen Montainbike-Trail, der gerade gebaut wird. Der Balanceakt aber zahlt sich aus in Immenstadt. So ist es laut Honold gelungen, die Übernachtungszahlen und die touristische Wertschöpfung sogar noch zu erhöhen. Darüber hinaus unterstreicht auch die klimatische Entwicklung die Richtigkeit der Entscheidung. Denn: „Ohne Beschneiung wären die Lifte dieses Jahr keine fünf Tage gelaufen.“

