Innovative Straßenbeleuchtung
Straßenbeleuchung: Schlauer scheinen
Modellprojekt zur Straßenbeleuchtung
Was die Beleuchtung einer Straße in einer Kommune nicht alles leisten soll: Hell genug soll sie sein, damit sich die Bürgerinnen und Bürger am Abend und in der Nacht sicher fühlen und die Verkehrssicherheit garantiert ist. Aber nicht zu hell, damit sie Anwohner und die Insektenwelt in der Nacht nicht stört. Sie soll einen sparsamen Stromverbrauch haben und natürlich möglichst wenig CO²-Emmissionen erzeugen.
Über ein Jahr lang hat man in einer hessischen Kleinstadt daran getüfftelt, wie man diese Bedürfnisse unter einen Hut kriegen kann. Bei dem Modellprojekt „Light as a service“ saßen neben den Stadtwerken Bad Hersfeld, auch ein Softwareunternehmen, eine Bank und professionelle Lichtplaner und Lichttechniker der Technischen Universität Berlin mit am Tisch. Ihre Idee: Statt einer statischen Straßenbeleuchtung muss für eine Lösung der Anforderungsvielfalt eine digitale Lichtsteuerung per Künstlicher Intelligenz (KI) her. Nach einer ausführlichen Testphase steht jetzt fest: Der Plan geht auf, die Stadt wird ihre gesamte Straßenbeleuchtung auf einen Schlag umrüsten und künftig von einem Dienstleister betreiben lassen.
Steuerung mittels Künstlicher Intelligenz
Der Versuch umfasste drei Projektgebiete in der Stadt, in denen die Verwaltung 154 LED-Straßenleuchten der neusten Generation installieren ließ. Die Leuchten können Signale aus der Lichtsteuerung und der eigens entwickelten KI verarbeiten. Auch die Farbtemperatur der Leuchten lässt sich regulieren und von warmweißem bis hin zu einem gelblichen Licht verändern. Die Helligkeit des Lichts und die Lichtverteilung ist darüber hinaus über ein dynamisches Dimmen steuerbar. „Wir brauchen in Wohngebieten oder in naturnahen Außenbereichen der Stadt ganz anderes Licht als etwa auf unseren Hauptverkehrsstraßen", erklärte der damalige Bürgermeister von Bad Hersfeld, der Wirtschaftsinformatiker Thomas Fehling, der „Light as a service“ ("Licht als Service") für seine Stadt angestoßen hatte. „Wenn wir mit dem Projekt Möglichkeiten schaffen können, zukünftig Licht besser in der notwendigen Helligkeit und Farbtemperatur oder witterungs- oder jahreszeitlich angepasst an den Standorten zu steuern, wäre das nicht nur qualitativ eine Verbesserung, sondern auch wirtschaftlich sehr interessant.“
Sensoren sammeln entscheidende Daten
Die modernen LED-Leuchten mit einer Leistung von bis zu 30 Watt können noch mehr: Sie senden und empfangen über eine digitale Kommunikationsschnittstelle Daten. Damit teilen sie etwa mit, wie hoch ihr Stromverbrauch grade liegt oder sie eine Störung haben. Umgekehrt können das Lichtmanagement der städtischen Datenplattform ui! Urban Pulse und spezielle Sensoren die Leuchten mit speziellen Befehlen und Informationen ansteuern. Dort werden unter anderem Wetter- und Verkehrsdaten der Straßen eingesammelt. Eine spezielle KI-gesteuerte Software berechnet vollautomatisch und in Echtzeit für jede Leuchte, wie sie unter den aktuellen Umständen optimal einzusetzen ist – und stellt sie so ein. Die städtische Datenplattform verarbeitet die gesammelten Daten und stellt sie beispielsweise für das kommunale Energie-Monitoring zur Verfügung.
Wunschlicht per App einstellen
Auch die Anwohner der Eichhofssiedlung hatten in einer Testphase Zugriff auf eine oder mehrere Straßenlampen in ihrer Nähe. Mittels einer App waren sie in der Lage, auf ihrem privaten Smartphone oder Tablet die Farbtemperatur oder Intensität des Lichts testen und konnten für jeweils zehn Minuten die Einstellungen einer Leuchte selbst bestimmen. Beispielsweise, wenn es sie störte, dass das Licht einer Leuchte ins eigene Wohnzimmerfenster oder auf die Einfahrt strahlt. Bereits im Mai hatten die registrierten Nutzerinnen und Nutzer fast 500 Mal die App zur Einstellung nach ihren Wünschen genutzt. Die Ergebnisse flossen in die Auswertungen des Probelaufs ein.
Zum Ende der Testphase zog die Verwaltung nun eine durchweg positive Bilanz der Erprobung einer „dynamisch-adaptiven Straßenbeleuchtung“ für Bad Hersfeld: Allein der Stromverbrauch sank durch die neuen Lampen um durchschnittlich 77 Prozent und durch die dynamische Steuerung teilweise sogar bis zu 86%. Die Straßenbeleuchtung in den Teststraßen stieß rund 27 Tonnen Kohlendioxid weniger pro Jahr aus. Kein Wunder, denn ohne viel Mehraufwand kann die Kommune die Leuchten den unterschiedlichsten aktuellen Gegebenheiten anpassen: Gibt es viel Verkehr wegen einer Veranstaltung? Gibt es eine Umleitung? Hat es geregnet? Dem passen sich die Leuchten auf Anweisung der KI automatisch an. Zum Beispiel ist die notwendige Lichtleistung bei nassen Asphalt geringer als bei trockener Witterung. Die Insektenwelt freut sich über wärmere Farbtemperaturen und mehr Dimmung der Leuchten in der Nacht. Und es fällt früher auf und wird entsprechen schneller behoben, wenn eine Lampe ausfällt.
Austausch aller Leuchten beschlossen
Das alles hat die Bad Hersfelder Stadtverordnetenversammlung überzeugt: Statt wie zunächst geplant schrittweise, will sie nun kommendes Jahr die weiteren rund 2.000 Straßenleuchten der Kreisstadt auf einen Schlag mit modernster Leuchten- und Sensortechnik ausstatten. Über zehn Jahre hinweg soll ein Dienstleister die Beleuchtung betreiben und neben den Investitionen auch alle Dienste zum Unterhalt der Straßenbeleuchtung übernehmen. Die Stadt Bad Hersfeld kann so ihre Investitionen über eine lange Laufzeit verteilen und muss keine hohen Kredite aufnehmen. Sie spart im Gegenteil sogar noch dabei: Stromkosten und Kohlendioxidausstoß werden sich so schon 2023 merklich verringern. Es wurde für die Kommune ganz klar: Mit dem bloßen Austauschen alter, verbrauchsintensiver Leuchtentechnik gegen LED ohne Mehrwert für Mensch und Umwelt ist es in digitalen Zeiten nicht mehr getan. Das geht smarter!
„Smart 50 Award“ gewonnen
Sogar international fiel das Projekt "Light as a service" positiv auf: Bad Hersfeld gewann damit den Smart 50 Award 2022. Die Organisation Smart Cities Connect verleiht den Preis jährlich für innovative Smart City-Projekte in aller Welt. Außer dem kleinen Bad Hersfeld schaffte es nur eine weitere europäische Kommune in die Endauswahl.
