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Frickingen: Die Agenda 2030 fest im Blick
Frickingen: Die Agenda 2030 fest im Blick
© Gemeinde Frickingen

Nachhaltigkeit

So geht kommunale Entwicklungspolitik

von Annette Lübbers
Reporterin
12. Juli 2023
"Wie wirken sich kommunale Entscheidungen auf die Generationengerechtigkeit aus?" Diese Frage haben mittlerweile viele in den Kommunen im Hinterkopf. Eine kleine Gemeinde im Bodenseekreis geht noch einen Schritt weiter und fragt: "Wie wirkt sich das, was wir tun, auf die Welt aus?" Wie sie konkret vorgeht!

Bei dem Stichwort "Entwicklungspolitik" denken die meisten Menschen wahrscheinlich an das Bundeskanzleramt oder an die Europäische Union. Entwicklungspolitik beginnt aber nicht in Brüssel oder Berlin, sondern auch in kleinen Kommune. Frickingen im Bodenseekreis hat gerade einmal 3.200 Einwohnerinnen und Einwohner, leistet sich aber eine Koordinatorin für Entwicklungspolitik. Was bringt eine Gemeinde dazu, derart weit über den Tellerrand zu schauen?

Kommunale Entwicklungspolitik: Frickingen dreht am großen Rad

Den Job der Koordinatorin für Entwicklungspolitik  hat die Politikwissenschaftlerin Anne Gehrmann. Während des Studiums lag ihr Fokus auf Internationale Politik und Friedensforschung, nach dem Abitur verbrachte sie ein Jahr in Kolumbien. Jetzt also Frickingen. Ein Erholungsort, schönes Ambiente, der Bodensee nicht weit. Deutsche Provinz könnte man meinen. Anne Gehrmann lacht: "Mich hat diese Stelle gerade deshalb gereizt, weil Frickingen so gar kein verstaubtes Image hat. Das kommunale Handeln in dieser Gemeinde orientiert sich schon seit Jahren sehr klar an den 17 Zielen der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung. Um diese Ziele zu erreichen, leistet sich Frickingen eine Koordinatorin für Entwicklungspolitik."  Anne Gehrmann managt Projekte, kümmert sich um Fördergelder, sucht überregionale Kooperationspartner und koordiniert die Arbeit vieler ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer.

Die Basis von allem: die Ziele der Agenda 2030 

Im Rahmen der Frickinger Nachhaltigkeitsstrategie fragen sich Verantwortlichen bei jeder Entscheidung neu: Tangiert unser Beschluss die Zielen der Agenda 2030? Wenn ja, wie? Allein wenn es um Beschaffungen geht, ist die Liste der Stichworte lang: Faire und nachhaltige Beschaffungen, CO2-Fußabdruck, ökologische Materialien, biologischer Anbau, Reparaturfähigkeit. Aber auch Lieferketten, Transportwege, Arbeitsnormen und Menschenrechte. Ein großer Aufwand, natürlich, aber Anne Gehrmann stellt klar: "Am Anfang ist das vielleicht so. Aber wenn die Strukturen neu ausgerichtet sind, minimiert sich der Aufwand und Mehrkosten sind auch nicht unbedingt damit verbunden." 

Nachhaltigkeit lernen - das sollen schon die Kleinen

Tatsächlich ist die Beschaffung nur ein Gebiet, auf dem Frickingen sich Gedanken macht. In allen kommunalen Bereichen wird das eigene Handeln auf eine nachhaltige Entwicklung ausgerichtet. Ein Beispiel: die Kita. Schon die Kleinen sollen spielerisch globale Zusammenhänge erlernen: Wie landet unser Müll im Meer? Woher kommen unsere Spielsachen? Wie weit ist diese Banane gereist? Anne Gehrmann: "Wir halten es für ganz wichtig, die Kleinen für diese Themen zu sensibilisieren. Wenn wir das heute tun, dann werden die Kinder auch als Erwachsene eher im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung handeln und dieses Handeln dient dann nicht nur unserer eigenen Entwicklung, sondern auch der globalen Entwicklung." Aber natürlich versucht die Stadt, auch die erwachsene Bürgerschaft zum Mittun einzuladen: Trupps von Freiwilligen sammeln in Frickingen Müll, gestalten einen Lehrpfad, bepflanzen Blühwiesen neu und setzen hitzeresistente Stauden. 

Globale Zusammenhänge aufzeigen

Anne Gehrmann unterstreicht: "Oft ist zu hören, auch von kommunal Verantwortung tragenden: Nachhaltigkeit, Enkeltauglichkeit und globale Gerechtigkeit müsse man sich erst einmal leisten können. Wir sehen das nicht so. Niemand von uns kann es sich leisten, diese Themen noch länger beiseite zu schieben. Ich denke, wir stehen in Frickingen in diesen Bereichen auch deshalb recht gut dar, weil wir früh damit angefangen." Photovoltaik, Nahwärmenetz, nachhaltiges und ressourcenschonendes Bauen - all das habe man in ihrer Kommune schon lange auf dem Schirm. "Ein Großteil meiner Arbeit besteht tatsächlich daraus, globale Zusammenhänge aufzuzeigen. Zusammenhänge, die ohne Expertenwissen nicht immer klar und einfach auf der Hand liegen", sagt die Politikwissenschaftlerin.

 Partnerschaft mit Kolumbien geplant

Globale Zusammenhänge erkennen - das gelingt natürlich leichter, wenn der globale Süden wortwörtlich mit am Tisch sitzt. Anne Gehrmann nickt: "Deshalb arbeitet Frickingen auch an einer neuen Städtepartnerschaft mit dem Kaffeeanbauland Kolumbien. Auf dieses Land fiel unsere Wahl natürlich auch deshalb, weil ich Kolumbien aus eigener Anschauung kenne. Außerdem passt das Land gut zu unserer Obstbau-Region mit seinen kleinbäuerlichen Strukturen." Mit diesem internationalen Projekt wolle man in Frickingen so einiges erreichen: über Landesgrenzen hinweg kommunizieren, intensive neue Erfahrungen machen, altes Wissen bewahren, als Verwaltung den eigenen Horizont erweitern und gleichzeitig mit dieser Partnerschaft in die Bevölkerung hineinwirken.

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