Kommunen
Beratung bei psychischen Erkrankungen im Alter
Intensive Arbeit der gerontopsychiatrischen Beratungsstellen
Im Kreis Wesel hat man sich dieser Problematik schon seit Längerem angenommen und Strukturen und Institutionen geschaffen, die genau hier ansetzen. Eine davon ist die Gerontopsychiatrische Beratungsstelle, die sowohl am St. Vinzenz Hospital in Dinslaken als auch im St. Josef Krankenhaus in Moers angedockt ist und wesentlich vom Kreis mitfinanziert wird.
Kostenfreie und niedrigschwellige Hilfe
„Wie können ältere Bürger mit psychischen Erkrankungen bei uns möglichst schnell und unbürokratisch versorgt werden?“, das sei die zentrale Frage vor Gründung dieser Fachberatungsstelle gewesen, erzählt Bettina Schilling, die dort als Fachgesundheits –und Krankenpflegerin für psychiatrische Pflege mit dem Schwerpunkt Gerontopsychiatrie bereits seit 2008 arbeitet. Mit ihrem kostenfreien und niedrigschwelligen Beratungsangebot richtet sich die Stelle an Menschen über 65 Jahre „in allen Lebenslagen“, wie Schilling sagt, wobei der Fokus auf den unterschiedlichen psychiatrischen Erkrankungen im Alter und ihrer Bedeutung für die Betroffenen ebenso wie für die Angehörigen liegt.

Hürden für ältere Patienten besonders hoch
Warum es hierzu eine spezielle Beratungsstelle für ältere Menschen braucht? Weil die Senioren „durch ihre Alter alleine oft schon gehandicapt sind“, wie Schilling sagt, und die Hürden, Hilfe zu suchen entsprechend noch einmal deutlich höher seien als bei jüngeren Erkrankten. Die Arten der psychiatrischen Erkrankungen bei älteren Menschen unterscheiden sich in ihrer Ausprägung grundsätzlich nicht wesentlich von jenen in jüngeren Jahren. Von Schizophrenie über Psychosen bis hin zu Angststörungen begegnen Schilling verschiedenste Krankheitsbilder in ihrer Arbeit.
Schwerpunkt Demenz
Einen Schwerpunkt nimmt in der Arbeit von Schilling allerdings klar das Krankheitsbild der Demenz mit all seinen Folgen ein. Dabei gilt die Demenz sowohl als neurologische als auch als psychiatrische Erkrankung und geht die fortschreitende Vergesslichkeit nicht selten mit wahnhaften oder auch aggressiven Tendenzen einher, wie Schilling berichtet.
Depression – die versteckte Krankheit
Eine weitere – oft lange Zeit unerkannte - psychiatrische Erkrankung im Alter ist laut Schilling die Depression. „Die Depression im Alter versteckt sich oft“, sagt Schilling und die Abgrenzung der Symptome von "normalen" Alterungsprozessen erfordere hohe Sensibilität – sowohl bei den Ärzten als auch bei den Patienten und Angehörigen. So zeige sich eine Depression häufig in verschiedenen körperlichen Symptomen, etwa Rücken- oder Magenschmerzen, Müdigkeit oder Appetitlosigkeit. „Der Arzt fängt bei solchen Symptomen natürlich erst einmal an, den Patienten körperlich zu untersuchen“, so Schilling. Die älteren Betroffenen und auch ihre Angehörigen würden zudem viele Symptome oft als „alterstypisch“ abtun – dann gehöre es eben zum Altwerden dazu, dass man weniger Lebensfreude habe, antriebsloser sei und Schmerzen habe. Steckt aber eine Depression dahinter, gibt es konkrete Behandlungsmöglichkeiten, betont Schilling.
Tabu Suchterkrankung
Ein häufiges Tabu sind laut der Beraterin zudem Suchterkrankungen, wobei gerade Medikamenten-Abhängigkeit oder Alkoholsucht keine seltenen Erscheinungen seien, die mit starken Beeinträchtigungen der Lebensqualität einhergehen würden. „Über Sucht wird fast nie gesprochen“, so Schilling, oder aber sie werde von den Betroffenen bagatellisiert.
Unterstützung für verzweifelte Angehörige
Zu Schilling finden die Ratsuchenden via die Kliniken, Mund-zu-Mund-Propaganda oder die verschiedenen Teile des Netzwerks, in dem Schilling über den Kreis hinweg verankert ist. In den meisten Fällen melden sich hilfesuchende Angehörige bei der Mitarbeiterin, manchmal auch die Erkrankten direkt. Nach einem ersten Telefonat besucht Schilling die Menschen dann fast immer zu Hause, um den Aufwand und die Hürden möglichst gering zu halten für die Menschen. „Es muss keiner zu mir ins Büro kommen“, sagt Schilling, schließlich gehe mit hohem Alter oft auch eine gewisse Gebrechlichkeit und eingeschränkte Mobilität einher und könnten viele ihrer Klienten nicht (mehr) Auto fahren.
Den Alltag besser meistern
Bei den Hausbesuchen trifft Schilling dann oft sowohl auf die Erkrankten als auch auf deren Angehörige und macht sich ein Bild von der Lage. „Meist höre ich erst einmal nur intensiv zu und lasse die Menschen erzählen, wie der Alltag läuft und wie es ihnen geht“. Seitens der Angehörigen begegnet Schilling hierbei oft „viel Traurigkeit und Hilflosigkeit“. Umso mehr helfe es dann, wenn Schilling neben viel Verständnis und Einfühlungsvermögen auch ganz konkrete Hilfsangebote vermitteln kann und Licht bringt ins Dunkel bei manchen Diagnosen.
Beratung, Vermittlung und Begleitung
Die Tätigkeit von Schilling umfasst dabei verschiedenste Facetten und richtet sich ganz nach dem jeweiligen Bedarf. Ein wesentlicher Punkt ist die intensive Beratung der Angehörigen, wobei die Fachberaterin informiert und aufklärt über den Umgang und die Bedeutung der jeweiligen Krankheit, über Möglichkeiten der Diagnostik und Therapie und über Unterstützungsangebote bei der Pflege und Begleitung. Zudem gibt sie Informationen zur Vorsorgevollmacht, hilft beim Stellen von Anträgen und begleitet Patienten zu Arztbesuchen.
Kommunen müssen sich vorbereiten
Es gibt Hilfe und weder Erkrankte noch Angehörige sind alleine mit der Situation – das ist die Botschaft, die die Gerontopsychiatrische Beratungsstelle im Kreis Wesel ganz praxisnah umsetzt. Aus Sicht von Schilling sind es Einrichtungen wie diese, die in Kommunen wesentlich dazu beitragen können, dass die Zunahme von psychiatrischen Erkrankungen im Alter gut aufgefangen und begleitet werden kann. „Die Kommunen sollten sich darauf vorbereiten, Kommunen-übergreifend zusammenarbeiten und direkte Anlaufstellen schaffen, damit Betroffene Hilfe finden“, so die Beraterin. Vor allem aber gelte es, das Tabu der psychiatrischen Erkrankungen im Alter überhaupt erst einmal „auf den Radar holen“, wie Schilling sagt, etwa durch gezielte Kampagnen und Öffentlichkeitsarbeit. „Die Leute müssen sensibilisiert werden für psychische Erkrankungen im Alter“, sagt Schilling. „Nur dann können sie sich auch Hilfe suchen, ob als Angehörige oder als Betroffene.
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