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So sehen die Arbeitsplätze heute aus - keine festen Plätze mehr, sondern jeder setzt sich nach Bedarf auf einen passenden Platz
So sehen die Arbeitsplätze heute aus - keine festen Plätze mehr, sondern jeder setzt sich nach Bedarf auf einen passenden Platz
© Stadt Solingen

Unternehmenskultur im Rathaus

Das Rathaus wird kleiner - eine Stadt verzichtet auf Büroflächen

von Dorothea Walchshäusl
Reporterin | KOMMUNAL
23. März 2023
Eigentlich hatte die Stadt über einen Rathausanbau nachgedacht. Doch dann kam Corona - und mit ihr eine komplette Veränderung der Unternehmenskultur im Rathaus. Statt eines Neubaus hat die Stadt aus NRW nun Büroflächen verkleinert - und investiert lieber in gute Seminare für "Führen auf Distanz" an - und auch die verbliebenen Räume sind heute ganz andere, als noch vor vier Jahren! Ein spannender Besuch.

Die Corona-Pandemie hat in vielerlei Hinsicht eine Zeitenwende mit sich gebracht – auch was die Arbeitskultur anbelangt. Was vorher undenkbar schien, wurde auf einmal Realität, durchaus mit positiven Auswirkungen. Auch in den Rathäusern Deutschlands hat man diesen Wandel intensiv wahrgenommen. „Die Digitalisierung und der Ausbau des Homeoffice haben bei uns wie bei vielen Kommunen durch die Corona-Krise einen richtigen Booster bekommen“, sagt Dirk Wagner. Er leitet in der Stadt Solingen das Resort des Oberbürgermeisters und ist für Personal, Organisation und IT zuständig ist. Drei Jahre später wird in Solingen nun eine deutliche Reduzierung der Büroflächen in der Stadtverwaltung geplant. Aus Sicht von Wagner ist das eine schlüssige Reaktion auf die Entwicklung der vergangenen Jahre.

Unternehmenskultur vor Corona

Solingen vor der Pandemie: Die Verwaltungsmitarbeiter saßen in klassischen Ein- oder Mehrpersonenbüros, im Rathaus und den verschiedenen Verwaltungsstandorten herrschten Platzprobleme, von den 2000 Mitarbeitern in der Kernverwaltung arbeiteten nur die wenigsten ab und an von zuhause aus. Zwar war damals bereits eine technische Basisinfrastruktur vorhanden und gab es bereits eine entsprechende Dienstvereinbarung mit dem Personalrat, die Homeoffice ermöglichte – genutzt wurde sie allerdings von weniger als 200 Mitarbeitern. „Wir haben damals über einen Rathausanbau nachgedacht“, erzählt Wagner, das schien die einzige Lösung zu sein für die wachsende Mitarbeiterschaft auf begrenztem Raum. Dann kam die Pandemie und mit ihr veränderte sich zwangsläufig die Arbeitsstruktur.

Dirk Wagner
Dirk Wagner, Leiter des Resort des Oberbürgermeisters in Solingen

Umwälzungen durch Corona

Was noch kurz zuvor völlig unrealistisch schien, wurde plötzlich Wirklichkeit: Die meisten Mitarbeiter arbeiteten nun von zuhause aus und dank der bereits vorhandenen technischen Infrastruktur, gelang dies laut Wagner auch relativ problemlos. Auch in ursprünglich nahezu ausschließlich analogen Bereichen wie dem Bürgerservice gab es große Entwicklungen: „Während Corona ging auf einmal alles Mögliche elektronisch“, so Wagner. „Diesen Standard wollten wir nach der Pandemie natürlich erhalten und nicht wieder zurückfallen in alte Muster.“ Das erzwungene Experiment während der Corona-Zeit bot aus Sicht von Wagner eine Chance: „Wir konnten in dieser Zeit viele Erfahrungen sammeln, wann Homeoffice funktioniert und wann nicht und auf was es konkret ankommt bei der Umsetzung digitaler Wege“. So wurde zum Beispiel festgestellt, dass die Erreichbarkeit der Verwaltung durch die Bürger manchmal unzureichend gewährleistet war durch die fehlende Präsenz im Rathaus.

Homeoffice seit Pandemie intensiv genutzt

Als die Kontaktbeschränkungen und Empfehlungen zum Homeoffice langsam abgeebbt waren und weitgehend wieder Normalität herrschte, stellte man in Solingen fest, dass viele Mitarbeiter das Homeoffice schätzen gelernt hatten und daran festhielten. Von den 2000 Mitarbeitern nutzen heute fast 1900 die Homeoffice-Möglichkeit in unterschiedlichem Umfang und sind technisch gut ausgestattet. Darunter gibt es Mitarbeiter, die komplett von zuhause aus arbeiten, etwa, wenn sie pflegebedürftige Angehörige haben oder kleine Kinder. „Es war auf einmal spürbar weniger los im Rathaus“, so Wagner, und viele Büros standen tagsüber leer. Dies bestätigte auch eine detaillierte Zeitauswertung, die in Folge in Auftrag gegeben wurde. Das Ergebnis: an beiden großen Standorten der Stadtverwaltung waren teilweise nur 60 Prozent der Räume belegt, 40 Prozent blieben ungenutzt.

Zeitauswertung macht Umdenken erforderlich

Für die Leitungsebene bedeutete das ein Umdenken. „Uns wurde damals klar: Wenn wir 40 Prozent der vorhandenen Ressourcen nicht ausnutzen, dann können wir auch mit weniger Platz auskommen und müssen anders planen“, so Wagner. So stand mit einem Male kein Neubau mehr im Raum, sondern vielmehr eine bessere Nutzung der bereits vorhandenen Gebäude und womöglich sogar eine Reduzierung dieser. „Das ist auch vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeits- und Klimaschutz-Bemühungen der Stadt absolut naheliegend“, sagt Wagner.

Neue Anforderungen an die Stadt als Arbeitgeber

Zur reduzierten Nutzung der Büroräumlichkeiten kommt noch eine andere Beobachtung der Solinger Leitungsgremien hinzu. Schließlich ist der Fachkräftemangel auch in der Stadtverwaltung bereits deutlich spürbar und stellen die potentiellen neuen Mitarbeiter ganz andere Anforderungen als noch vor ein paar Jahren. „Wir haben gemerkt. Wir müssen hier Angebote schaffen und als Arbeitgeber deutlich mehr Flexibilität an den Tag legen“, so Wagner. Würden sich Bewerber für eine Stelle interessieren, sei oft Voraussetzung für die Tätigkeit, dass sie auch im Homeoffice arbeiten können. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in weiteren Bereichen; so gebe es mittlerweile zum Beispiel Fortbildungen dazu, wie man auf Distanz führe. „Wir sprechen hier nicht nur von einer Neu-Organisation, sondern von einem grundsätzlichen Wechsel der Unternehmenskultur“, so der Resortleiter.

Effizienz und Kundenfreundlichkeit als Ziele

Mittlerweile wurde in Solingen intensiv beratschlagt, wie eine effizientere Raumnutzung und Umsetzung der neuen Unternehmenskultur im Rathaus gelingen kann. Die Zielsetzung ist klar: „Wir verfolgen eine Zweistandort-Strategie“, sagt Wagner, „und wollen die Verdichtung so hinbekommen, dass wir nur noch zwei Standorte brauchen, an denen genügend Raum für alle vorhanden ist“. Damit einher geht mittelfristig auch eine deutliche Kostenersparnis. Nicht betroffen von der Umgestaltung sind die Bürgerbüros in den einzelnen Stadtteilen und das Standesamt. Die kleineren Standorte aber sollen mittelfristig weichen, während die beiden großen Verwaltungs-Standorte direkt am Rathaus und an der Bonner Straße bleiben werden. Diese sollen intensiv umgestaltet werden und technisch top ausgestattet, damit Sharing-Modelle der Büros unkompliziert möglich sind. Bis Ende 2023 sollen die strategischen Planungen hierzu abgeschlossen sein, 2024 ist dann die Umsetzung mit dem Gebäudemanagement geplant.

Telefonzelle im Büro
Eine Telefonzelle im Büro: damit ungestörte Gespräche auch im Großraumbüro funktionieren

Individuelle Lösungen nötig

„Das klassische Büro ist überholt, es braucht nun gute Sharing-Modelle und entsprechend angepasste Räume“, sagt Wagner. Dafür gebe es nicht die eine Lösung, die für jeden Arbeitsbereich gleich gut funktioniere. Stattdessen versucht man in Solingen, auf den jeweiligen Arbeitsablauf und Bedarf speziell angepasste Umsetzungen zu finden. „Wir gehen mit allen Ämtern und Bereichen ins Gespräch, klären die individuellen Anforderungen und Wünsche“. Der Arbeitsalltag sei je nach Themenbereich sehr unterschiedlich und im Bürgerbüro etwa ganz anders als in der IT-Abteilung, wo bereits nurmehr ein Arbeitsplatz für zwei Mitarbeiter bereitgestellt wird. Nicht bei allen Arbeitsplätzen seien Homeoffice und Jobsharing umsetzbar. Beim überwiegenden Teil aber sieht Wagner gute Optionen.

Kommunikation als Schlüssel

Die Mitarbeiter der Solinger Stadtverwaltung bewerten die geplanten Umgestaltung sehr unterschiedlich, wie Wagner feststellt. „Die Meinungen gehen stark auseinander und es gibt durchaus auch sehr kritische Stimmen“, so der Ressortleiter. Während gerade Mitarbeiter mit kleinen Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen die Planungen unterstützen würden, könnten sich andere gar nicht vorstellen, kein eigenes Büro mehr zu haben. Der Schlüssel, um dieser ambivalente Stimmungslage gerecht zu werden, ist laut Wagner eine intensive und persönliche Kommunikation mit den einzelnen Mitarbeitern und Abteilungen. „Von oben durchdrücken funktioniert nicht“, so Wagner. Vielmehr müsse den Mitarbeitern vermittelt werden: „Wir verzichten auf einen Teil der Arbeitsplätze und Räumlichkeiten. Dafür aber bekommt ihr eine große Flexibilität und topausgestattete Arbeitsplätze, ob im Büro oder zuhause“.

Melanie Huber, Personalreferat Stadt München

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