Gesundheitsversorgung
Netzwerken gegen den Ärztemangel
Ärztemangel deutlich spürbar
„Als Flächenkommune mit einem großen Stadtgebiet ist der Ärztemangel bei uns bereits deutlich spürbar“, sagt der Gocher Bürgermeister Ulrich Knickrehm. Während die Versorgung im Hausärzte-Bereich im Moment noch gewährleistet sei, gebe es eine besondere Dringlichkeit im Kinderarzt-Bereich. „Die größte Herausforderung ist in Goch der Fachärztemangel. Wir haben hier im Moment keinen einzigen Kinderarzt“, stellt Knickrehm fest. Für die Eltern bedeute das, dass sie mit ihrem kranken Kind 15 bis 20 Kilometer zum nächsten Kinderarzt in entfernten Kommunen fahren müssten – aus Sicht des Bürgermeisters ein nicht tolerierbarer Zustand.
Gründe für Ärztemangel
Die Gründe für den Ärztemangel sind vielfältig und aus Sicht von Knickrehm wichtig zu verstehen, wenn man nach einer Lösung sucht. So gehe der Trend bei den jungen Nachwuchsmedizinern hin zu einem Angestelltenverhältnis und würden viele Ärzte nicht mehr als Einzelkämpfer die Last einer eigenen Praxis tragen wollen, sondern lieber im Team arbeiten. Dies sei auch vor dem Hintergrund einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf und einem stärkeren Fokus auf die Work-Life-Balance nachvollziehbar. Die Folge: die Eröffnung einer Einzelpraxis, nach dazu in ländlicher Lage, ist für viele angehende Mediziner nicht mehr attraktiv.
Ein kommunales MVZ als mögliche Lösung
Für Knickrehm ist die medizinische Versorgung in Goch eine „kommunale Aufgabe“ – ganz besonders angesichts der angespannten Situation im Kinderarzt-Bereich. „Wir wollen uns kümmern und haben überlegt: Was kann man tun?“, erzählt Knickrehm. Bald sei die Idee entstanden, ein kommunales Medizinisches Versorgungszentrum ins Leben zu rufen. Der Hintergrund: Während in den meisten Fällen Vertragsärztinnen oder -ärzte oder Krankenhäuser die Trägerschaft bei MVZs übernehmen, ist es durch das Versorgungsstärkungsgesetz seit 2015 auch Kommunen möglich, ein MVZ zu gründen. Aus Sicht von Knickrehm liegt darin eine große Chance: „Ein MVZ bietet den Ärzten deutlich mehr Flexibilität und weniger Verantwortung. Die Kommune kann die Ärzte unterstützen und es ist so deutlich realistischer, Ärzte für Goch zu gewinnen“.
Beauftragte Gesundheitsversorgung als Expertin und Beraterin der Kommune
Um die Vision eines kommunalen MVZ tatsächlich wahr werden zu lassen, hat sich Bürgermeister Ulrich Knickrehm in Goch Unterstützung in Form einer Beauftragten Gesundheitsversorgung geholt. Ausgeübt wird diese Funktion von Gabriele Theissen, der ehemaligen Regionaldirektorin des Katholischen Karl Leisner Klinikums, die mit ihrer beruflichen Erfahrung und Expertise aus Sicht von Knickrehm die ideale Beraterin ist für den Weg hin zu einem kommunalen MVZ. Mit 20 Arbeitsstunden pro Monat als geringfügige Beschäftigung deklariert, ist Theissen seit Anfang Mai für die medizinische Versorgung in Goch im Einsatz und agiert hier in enger Abstimmung mit dem Bürgermeister. „Wir haben eine Fürsorgepflicht für die Menschen in unserer Stadt“, sagt Theissen, und um diese wahrzunehmen und dem MVZ näherzukommen, möchte die Gesundheitsversorgungs-Beauftragte nun alle relevanten Akteure mit ins Boot holen. „Nur, wenn alle an einem Strang ziehen, kann das funktionieren. Deshalb werde ich versuchen, alle Akteure miteinander ins Gespräch zu bringen, von der kassenärztlichen Vereinigung über das Krankenhaus und die Ärzteschaft bis hin zur Verwaltung“, so Theissen.

Hoher kommunaler Aufwand für MVZ
Ein kommunales MVZ zu gründen, ist für die Kommune mit enormer Mehrarbeit und hohem bürokratischen wie finanziellen Aufwand verbunden, wie Knickrehm sagt. „Wir gehen da nicht blauäugig rein und für uns bedeutet das natürlich sehr viel Arbeit“, sagt der Bürgermeister, zumal ein medizinisches Versorgungszentrum „erstmal ein vollkommen verwaltungsfremdes Thema“ sei und „eine ganz andere Welt von den Abläufen und Strukturen her“. Für die Zukunft der medizinischen Versorgung in Goch aber ist ein kommunales MVZ aus seiner Sicht der einzige Weg. „Wir sehen keine andere Chance, um wieder Fachärzte hierher zu bringen“, so Knickrehm, und umso mehr brauche die Kommune eine intensive Beratung und Unterstützung. Diese wird zum einen durch die neue Beauftragte Gesundheitsversorgung geleistet, zudem habe die KV Unterstützung zugesagt für den Weg zum MVZ.
Vielversprechende erste Gespräche
Erst seit Mai ist die Beauftragte Gesundheitsversorgung als Beraterin und Begleiterin des Bürgermeisters in Goch aktiv, doch die ersten Entwicklungen sind vielversprechend, wie Knickrehm und Theissen sagen. „Miteinander sprechen und nicht übereinander“ laute aktuell die Devise und entsprechend intensiv sind die beiden im Austausch mit allen Akteuren, um möglichst schnell Ärzte für das zukünftige MVZ zu gewinnen. „Für uns ist es jetzt das Allerwichtigste, Ärzte zu finden, um mit dem Projekt an den Start gehen zu können“, sagt Knickrehm. Feste Zusagen gäbe es noch keine, aber zumindest „erfolgsversprechende Gespräche“. Ein geeignetes Gebäude ist derweil bereits gefunden: So liegt im Zentrum der Start eine alte Bücherei mit guten Parkmöglichkeiten, die von der Kommune laut Theissen gut zum MVZ umgebaut werden könnte. Finanziert werden soll das kommunale MVZ schließlich nicht direkt über den kommunalen Haushalt, sondern als eigene Rechtsform organisiert – in welcher Art, wird derzeit noch juristisch ausgearbeitet.

Optimismus statt Hoffnungslosigkeit
Auch wenn noch viele Schritte zu gehen sind auf dem Weg zum kommunalen MVZ in Goch, sind Knickrehm und Theissen optimistisch. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass uns das gelingt“, sagt die neue Beauftragte Gesundheitsversorgung, die neben den Bemühungen um das Gewinnen neuer Ärzte auch die bereits in Goch ansässigen Mediziner im Blick hat. Entsprechend plant Theissen, einen runden Tisch für die Gocher Ärzteschaft, bei dem sich die Mediziner regelmäßig austauschen können. „Es ist sehr wichtig, dass sich die Ärzte hier wohlfühlen, bei Planungen miteinbezogen werden und auch gerne hier bleiben“, sagt die Beauftragte. Ein Ansatz, den auch der Bürgermeister unterstreicht. So stellt Knickrehm fest: „Die Hoffnungslosigkeit der vergangenen Monate hat sich gewandelt und wir packen das Thema Ärztemangel als Kommune nun an“.
