
Sicherheit
Tipps für Kinder- und Jugendschutz im Ehrenamt
Wie können Kinder und Jugendliche bestmöglich geschützt werden? Und was hilft gegen Gewalt und Missbrauch? Diese Fragen betreffen auch das Ehrenamt, schließlich steht die Kinder- und Jugendarbeit dort regelmäßig im Fokus, ob bei der Feuerwehr oder im Sportverein. Allerdings: für viele Vereine ist eine bewusste Auseinandersetzung mit diesem Thema kaum präsent, wie Alina Niemeyer weiß, die im Landkreis Holzminden in der Kreisjugendpflege für den Jugendschutz zuständig ist.
Kinder- und Jugendschutz: für viele Vereine ein neues Thema
„Es ist ein großer Respekt da, sich mit diesem Thema zu beschäftigen – man fürchtet Schwierigkeiten“, sagt Niemeyer, und während die meisten zwar ahnen würden, dass das Thema sehr wichtig ist, sei die Thematik selbst oft „relativ weit weg und schwer greifbar für die Ehrenamtlichen“. Niemeyer möchte das zusammen mit ihrer Kollegin, der Kinderschutzfachkraft Marion Kuntsch ändern. „Schau hin! Kinder- und Jugendschutz im Ehrenamt“ ist der Titel einer Fortbildung im Landkreis Holzkirchen, bei der die beiden Expertinnen Ehrenamtliche sensibilisieren wollen für ihre verantwortungsvolle Aufgabe gerade im Umgang mit den Jüngeren. „Information macht hier viel mehr Sinn als Kontrolle“, so Kuntsch. „Uns geht es darum, die Wachsamkeit zu schulen“.
Wann ist der Kinder- und Jugendschutz gefährdet?
Von einer Gefährdung des Kinder- und Jugendschutzes spricht man laut Niemeyer und Kuntsch immer dann, wenn die Grundsätze des Wohles eines Menschen überschritten und die physischen wie psychischen Bedürfnisse missachtet werden. Dabei könne die Wahrnehmung einer Überschreitung ausgesprochen individuell sein und seien die Grenzen manchmal fließend. „Man muss hier sehr genau hinschauen und von Fall zu Fall abwägen“, so Kuntsch,
Jugendschutzgesetz als wichtiger Rahmen
Geht es um das Vereinsleben und die Organisation von Treffen, Festen oder Ferienfreizeiten, ist ein zentraler offizieller Rahmen das Jugendschutzgesetz. Bei allem, was eindeutig im Vereinsrahmen abgehalten wird, lassen sich hieraus laut Niemeyer klare Regeln ableiten, insbesondere, was den Konsum von gefährdenden Substanzen anbelangt. Dies sei nicht immer selbstverständlich, gerade was den Alkohol anbelangt. „Manchmal muss man erstmal klar machen, dass es eben nicht in Ordnung ist, wenn ein 14-Jähriger bei einer Feier auch mal ein Bier mit trinkt“, so Niemeyer aus Erfahrung.
Dabei ließe sich der Konsum von Alkohol in den Vereinsräumlichkeiten klar verbieten und setze ein Alkoholverbot bei Veranstaltungen mit Kindern und Jugendlichen ein deutliches Zeichen. Neben dem Alkohol ist aktuell der Konsum von E-Zigaretten unter Jugendlichen ein großes Problem. „Es wurde in den letzten Jahren nicht so viel geraucht wie heute“, so Niemeyer, und auch hier seien die erwachsenen Ehrenamtlichen wichtige Vorbilder und Entscheider. Geht es um das Verhalten der Jugendlichen jenseits der Vereinsgrenzen, helfe meist eher ein präventiver Ansatz. „Hier können zum Beispiel Trainer wichtige Aufklärungsarbeit leisten und darüber sprechen, wie ungesund das Rauchen ist und dass sich Menschen strafbar machen, die den Kindern solche Sachen verkaufen“, so die Kinderschutz-Experten.
Große Verantwortung für die Ehrenamtlichen
Für viele Kinder und Jugendlichen ist der Verein neben Familie und Schule ein zentraler Ort in ihrem Leben und entsprechend sei man als Trainer oft nicht nur sportlicher Begleiter, sondern auch enger Vertrauter der Kinder, wie Niemeyer sagt. Darin liegt aus ihrer Sicht eine große Chance, wenn es um das Kindeswohl geht. „Die erwachsenen Verantwortlichen in Vereinen haben oft einen besonderen Draht zu den Kindern, bekommen viel mit und können manchmal ganz anders intervenieren als etwa Lehrer oder offizielle Stellen“, betont Niemeyer. Fällt einem Gruppenleiter oder Trainer etwas auf und beobachtet er bei einem Kind oder Jugendlichen Veränderungen und Verletzungen, die den Verdacht einer Kindeswohlgefährdung oder eines Kindesmissbrauchs nahelegen, führt das erst einmal zu vielen Zweifeln. „Kann ich auf mein Bauchgefühl vertrauen? Wen kann ich um Rat fragen? Wo muss ich was melden?“, das seien häufig die Fragen, die Ehrenamtliche umtreiben, wenn ihnen etwas auffalle.

Bauchgefühl als wichtiger Indikator
Ganz gleich, wie die konkrete Situation sich darstellt – „auf das Bauchgefühl hören ist immer das Beste“, so Kuntsch, und „wenn man ein komisches Gefühl hat, sollte man dem unbedingt nachgehen“. Weil viele vor einer Meldung beim Jugendamt zurückschrecken, hilft es, wenn es zwischengeschaltete Sozialarbeiterinnen wie Niemeyer oder Kuntsch gibt, die niedrigschwellig als Ratgeber für die Ehrenamtlichen zur Verfügung stehen. „Wir versuchen, die Situation genauer einzuordnen und zusammen mit dem Ehrenamtlichen abzuwägen, welche Schritte als nächstes notwendig sind“, so Kuntsch. Im extremsten Fall kann das eine sofortige Meldung beim Jugendamt sein; manchmal aber könne auch der Ehrenamtliche selbst ein wichtiger Ansprechpartner und Vermittler sein.
Schutz vor Grenzüberschreitungen im Ehrenamt
Auch im Ehrenamt selbst kann es zu verletzenden Grenzüberschreitungen kommen. Damit dies gar nicht erst passiert und wenn doch möglichst schnell reagiert werden kann, ist eine offene Kommunikation und Atmosphäre laut Niemeyer die wichtigste Basis. „Die Kinder und Jugendlichen sollten klar spüren und wissen: wenn ich mich nicht wohlfühle, wenn sich irgendetwas nicht gut anfühlt, dann darf ich das sagen“. Dies sei besonders wichtig im Sportbereich bei Sportarten wie zum Beispiel Geräteturnen, bei denen Körperkontakt bei Hilfsstellungen unvermeidlich ist. Hier gelte es, die Empathie der Trainer zu schulen und wachsam zu sein. „Man merkt sehr deutlich, wenn ein Kind sich unwohl fühlt“, so Niemeyer, die selbst als Trainerin aktiv ist. Werden Beschwerden über einen Trainer artikuliert, müsse man als Verein behutsam abwägen. „Bei Beschwerden sollte man diesen natürlich nachgehen. Andererseits sollte man die Trainer auch nicht unter Generalverdacht stellen“, so die Expertin.

Das können Vereine konkret tun:
- Kinderschutz-Vereinbarungen unterzeichnen: Es sorgt für Sicherheit, wenn alle, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen müssen. „Das ist ein gutes objektives Kriterium und beruhigt auch die Eltern“, so die Expertinnen.
- Einzeltrainings vermeiden: In Einzeltrainings ist das Risiko einer Grenzüberschreitung am höchsten. Deshalb besser mehrere Trainer einbinden, damit sich die Kinder im Zweifelsfall an jemanden wenden können.
- Offen kommunizieren und eine angstfreie Atmosphäre schaffen: Die Kommunikation im Verein ist der Schlüssel. Wenn man sagen darf, was sich nicht gut anfühlt, ist das der beste Schutz.
- Sensibilisieren und Aufklären: Wo fängt übergriffiges Verhalten an? Was heißt sexueller Missbrauch? Aufklärung hilft, um Grenzüberschreitungen zu verhindern.
- Definition von klaren Regeln im Verein: Welche Regeln gelten in der Vereinsarbeit? Was sind die Grenzen und wo bekommt man Hilfe?
- Ansprechpartner für die Kinder und Jugendlichen sein: „Eine offene und ehrliche Kommunikation hilft am meisten“, so die Expertinnen. Die Vereinsmitglieder sollten aufeinander schauen und ein offenes Ohr haben füreinander.
Kinder- und Jugendschutz: Nach Corona wichtiger denn je
Geht es um den Kinder- und Jugendschutz, kommt den Ehrenamtlichen nach der Corona-Pandemie eine noch zentralere Rolle zu als ohnehin, wie Niemeyer und Kuntsch feststellen. „Während der Lockdown-Zeiten und der kontaktarmen Phasen hat sich viel aufgestaut und sind durch die fehlenden Aktivitäten außen auch die Probleme innerhalb mancher Familien eskaliert“, so Kuntsch. Nun, nachdem wieder ein Vereinsleben möglich ist, gäbe es vermehrt Anfragen an die Beratungsstelle im Landkreis von Ehrenamtlichen, die bei den betreuten Kindern und Jugendlichen Auffälligkeiten bemerken. „Auch die Meldungen in den Jugendämtern gehen durch die Decke“, so Niemeyer – „hier gibt es viel Handlungsbedarf.“