Kommentar
Kommunen gefangen im Projekt-Karussell
Kommunale Digitalisierung braucht Personal
Nun leben wir leider nicht in einer idealen Welt. Bei kommunalen Digitalisierungsprogrammen sieht die Wirklichkeit ein wenig anders aus. Weil mithilfe von Förderprogrammen weder gesetzliche Pflichtaufgaben noch von Kommunen regelmäßig freiwillig erbrachte Leistungen finanziert werden dürfen, schießen ständig neue Projekte wie Pilze aus dem Boden. Die so künstlich erzeugten zusätzlichen Maßnahmen gehen nicht etwa auf unersättliche Kommunen zurück, sondern sind Ergebnis einer jahrzehntelangen strukturellen Unterfinanzierung der Städte und Gemeinden. Immer neue Projekte führen in den Kommunen zu einem ständig steigenden Verstetigungsdruck. Im Scheinwerferlicht der Kontrollorgane stehen dabei regelmäßig technische und infrastrukturelle Projektergebnisse wie digitale Plattformen und Anwendungen. Für alle diese Produkte müssen Konzepte zum dauerhaften Weiterbetrieb erarbeitet werden.
Meistens bedeutet dies, dass das Personal in den Verwaltungen die Projektergebnisse nach Ende der Projektlaufzeit noch zusätzlich betreuen muss. Denn die für die Entwicklung der Produkte befristet eingestellten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen müssen dann wieder entlassen werden oder der Vertrag mit externen Dienstleistern läuft aus. Die Begehrlichkeiten werden jedes Mal erneut entfacht, wenn wieder einmal neues Projektpersonal kommt und geht. Und so schließt sich ein Kreislauf. Gute Verstetigung sieht anders aus.
Mitarbeiter qualifzieren
Wie wäre es stattdessen, wenn wir nicht zuerst nach Betriebskonzepten für Plattformen, sondern nach Wissensmanagement, Bleibe- und Qualifizierungsplänen für (Projekt- Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen oder dem Transfer von Dienstleisterexpertise in die Verwaltung fragen würden? Wenn wir Projektergebnisse nicht produktbezogen, sondern menschenbezogen interpretieren würden? Verstetigung ist dann gut, wenn damit auch die Sicherung von (neuem) Wissen, Erfahrungen und Kompetenzen von Menschen in der Organisation gelingt. Denn Technik hat eine kürzere Halbwertszeit als der Mensch.
Ilona Benz ist Geschäftsführerin der städtischen Digitalisierungsagentur KL.digital GmbH und Chief Digital Officer der Stadt Kaiserslautern. Die Autorin freut sich über Reaktionen an i.benz@kl.digital