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Krankenhaus Crivitzer See
Der Klinikstandort Crivitz - seit Kurzem Teil des kommunalen Klinikverbunds.
© Bernhard Mollenhauer

Klinikverbund

Rekommunalisierung: Landkreis will medizinische Versorgung retten

von Dorothea Walchshäusl
Reporterin | KOMMUNAL
27. Juli 2023
In Ludwigslust-Parchim hat der Landkreis einen kommunalen Klinikverbund gegründet, um die medizinische Versorgung vor Ort zu retten. Landrat Stefan Sternberg über einen außergewöhnlichen Transformationsprozess.

Wie kann die Klinik vor Ort gehalten werden, die bestmögliche medizinische Versorgung gewährleistet und all das wirtschaftlich betrieben? Diese Fragen bewegen Kommunen in vielen Teilen der Republik. Besonders drängend aber stellen sie sich in Regionen, in denen wie im Landkreis Ludwigslust-Parchim die ohnehin schwierige Situation der medizinischen Versorgung durch außergewöhnliche örtliche Rahmenbedingungen weiter erschwert wird. „Unser Landkreis ist von der Fläche her der zweitgrößte in Deutschland, gleichzeitig extrem dünn besiedelt – das heiß, wir haben hier sehr viel Fläche, sehr wenig Menschen und große Entfernungen“, sagt Stefan Sternberg, der Landrat des Landkreises Ludwigslust-Parchim.

Kliniken in wirtschaftlicher Schieflage

Bislang gab es im Landkreis sechs Kliniken, darunter zwei Reha-Kliniken sowie vier reguläre Kliniken, die jeweils eine breite medizinische Versorgung angeboten haben. In den vergangenen Jahren aber hat sich die wirtschaftliche Situation dieser Häuser laut Sternberg massiv verschlechtert, so dass die medizinische Versorgung der Menschen im Landkreis auf absehbare Zeit nicht mehr gewährleistet schien. Das Problem: „Bei unserer Landkreis-Größe und den weiten Entfernungen braucht man einerseits jedes Haus. Andererseits haben wir viel zu wenig Einwohner, als dass die Kliniken in ihrer bisherigen Form wirtschaftlich betrieben werden könnten“, so Sternberg. Ein Dilemma.

Rekommunalisierung als Lösung

Angesichts der angespannten Lage in der Kliniklandschaft hat der Landkreis „seine Verantwortung für die Sicherstellung der medizinischen Versorgung für die Zukunft“ erkannt, wie Landrat Sternberg sagt, und sich mit allen großen Krankenkassen zusammengesetzt, um nach einer Lösung zu suchen. So entstand die Idee zur Schaffung des Kommunalen Klinikverbunds LUP-Kliniken gGmbH, einer Muttergesellschaft, welche die kommunalen Krankenhäuser in Hagenow, Ludwigslust und Crivitz vernetzt und unter einem Dach und kommunaler Trägerschaft zusammenführt. Erst vor kurzem wurde diese mit einstimmigem Beschluss des Kreistags abgesegnet. Die Zielsetzung: „Wir fassen alles so zusammen, dass wir eine Gesamtstruktur haben. Dabei geht es letztlich nicht darum zu sparen, sondern darum, dass die Mittel so eingesetzt werden, dass sie effizient sind“.

Landrat Stefan Sternberg
Landrat Stefan Sternberg

Effiziente Organisation und Spezialisierung

Ein Konzern und eine Verwaltungsstruktur sollen in Zukunft dazu führen, dass dort Gelder eingespart werden können, wo sie nicht zwingend gebraucht werden. In der Praxis bedeutet das, dass es beispielsweise nurmehr eine Verwaltung, Küche und ein Wäscherei gibt, von der aus alle drei Standorte versorgt werden. „Die Einsparungen durch diese Zusammenlegung sind enorm“, so Sternberg und umso mehr könne man sich dem eigentlichen Kernthema, der medizinischen Versorgung, zuwenden.

Auch hier soll es elementare Veränderungen geben. „Wir haben den Anspruch, eine wirtschaftliche Einheit zu schaffen, die zukunftsfähig ist, hohe Qualitätsstandards einhält und die maximal beste Versorgung für die Bürger des Landkreises bietet“, so der Landrat. Damit das gelingt, sollen nicht mehr alle alles anbieten wie bisher, sondern jeweils jene Bereiche gestärkt werden, in denen es besondere Expertise gibt. Alle drei Standorte zusammen aber sollen nach wie vor eine weitgehende Komplettversorgung gewährleisten. Für die Patienten bedeutet das laut Sternberg: „Egal an welchem Standort ein Patient eingeliefert wird, wird er je nach Spezialisierung im Klinikverbund der LUP-Kliniken verlegt und weiterbehandelt, um die bestmögliche Versorgung zu garantieren“. Ergänzend soll zudem das ambulante Angebot ausgeweitet werden.

Grundlegende Neustrukturierung

„Wie kann aus drei Häusern letztlich ein Haus werden mit drei spezialisierten Standorten?“ Das ist laut Sternberg die Frage, die den Landkreis seit Monaten intensiv umtreibt. Zur Entwicklung des neuen medizinischen Konzepts müsse klar abgesteckt werden, was die verschiedenen Häuser besonders gut können, welche Schwerpunkte gesetzt und wo welche Synergieeffekte genutzt werden können. Angesichts der bis dato unabhängigen Organisation der drei Häuser war dies ein durchaus herausfordernder Prozess, wie der Landrat sagt. „Kliniken sind ja erstmal kleine Königreiche und ich war anfangs sehr skeptisch, ob uns hier eine Vereinigung gelingt“, so Sternberg. Ein wesentliches Hilfsmittel sei da die frühzeitige und intensive Einbindung der führenden Mitarbeiter der verschiedenen Häuser gewesen. „Wir haben zu Beginn ganz bewusst einen medizinischen Beirat gegründet mit Ärztevertretern aus jedem Haus. Das hat sich sehr bewährt und viele Hürden abgebaut“, so Sternberg.

Sondervermögen für Umwandlungsprozess

Ein derartiger Mammutprozess ist ohne zusätzliche Gelder aus Sicht von Sternberg nicht zu stemmen. Deshalb wurde im Haushalt des Landkreises ein Finanzfonds „Stationäre Krankenhausversorgung im Landkreis Ludwigslust-Parchim“ geschaffen, der mit insgesamt 15 Millionen Euro die Finanzierung von baulichen und inhaltlichen Maßnahmen in den Krankenhäusern Ludwigslust, Hagenow und Crivitz sichern soll.

Umsetzungsarbeit in der Verwaltung

Für die konkrete Umsetzung der Rekommunalisierung wurde ein „Aufbaustab LUP-Kliniken“ gegründet, dem zehn feste Mitarbeiter angehören, die teils aus der bestehenden Verwaltung rekrutiert und teils neu hinzugeholt wurden. „Für den Aufbaustab habe ich vom Juristen bis zum IT-Spezialisten die besten Leute aus meinem Team zusammengeholt“, so der Landrat, außerdem würden 15 bis 20 weitere Experten den Stab regelmäßig ergänzen. Für den Arbeitsprozess selbst wurden schließlich einzelne Arbeitspakete geschnürt, die nun in verschiedenen Kleingruppen Stück für Stück abgearbeitet werden, wie Sternberg berichtet. „Umbaumaßnahmen, Stellenausschreibungen, Personalmanagement, Kommunikationswege, Telemedizin, Datenanalyse… die Themenfelder sind zahlreich, die jetzt vom Stab bearbeitet werden“, so der Landrat.

Intensive Einbindung der Mitarbeiter

Damit der Umstrukturierungsprozess schließlich tatsächlich gelingt, braucht es nicht nur neue formale Regelungen, sondern auch ein grundsätzliches Umdenken beim Personal. So soll es laut Sternberg zukünftig ein gemeinsames Ärzteteam für die drei Standorte geben und es zur selbstverständlichen Normalität werden, dass sich sowohl Ärzte als auch Pflegekräfte als Teil einer großen Gemeinschaft verstehen, in der man sich gegenseitig unkompliziert aushilft, wenn Bedarf ist. Damit dies gelingt, finden schon jetzt regelmäßig Mitarbeiter-Versammlungen an den unterschiedlichen Orten statt, bei denen sich der Aufbaustab den kritischen Fragen der Menschen stellt. „Bei allen Prozessen ist es das Wichtigste, dass wir die Menschen mitnehmen und auch ihre Ängste und Sorgen ernst nehmen. Deshalb wird der ganze Prozess intensiv kommuniziert“, so Sternberg, und gebe es mittlerweile eine breite Basis für die Zukunftsvision des Klinikverbund, aus der heraus schon viele Ideen erwachsen seien.

Zukunft des Krankenhauses -  ein emotionales Thema

Die Reaktionen der Bürger auf die Neuausrichtung sind laut Sternberg durchgehend sehr positiv und oft überraschend persönlich. „Ich merke immer wieder, welch hohen emotionalen Wert die Kliniken für die Menschen hier haben“, so der Landrat. „Viele aus der Region arbeiten dort, man kennt sich und wird noch als Mensch und nicht nur als Kassennummer wahrgenommen – entsprechend wichtig ist den Einwohnern dieses Thema und das Vertrauen in die Häuser ist sehr hoch“.

Ambitioniertes Ziel des Klinikverbundes

„Ein Haus mit etwas längeren Fluren“ – das soll der Klinikverbund letztlich werden, wenn es nach Landrat Starnberg geht. Bis es soweit ist, ist noch viel zu tun und der Zeitplan ist durchaus ambitioniert. 2025 schon soll sich der Klinikverbund selbst tragen, eineinhalb Jahre ist also noch Zeit, um dafür die entscheidenden Weichen zu setzen. „Wir haben hier drei aktuell defizitäre Häuser, die sich gerade auf den Weg machen – das erfordert natürlich einen enormer Kraftakt“, so Sternberg. Angesichts der ersten Schritte aber ist er zuversichtlich, dass die Vision Wirklichkeit wird.

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