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  3. Mehr Kinderärzte und Hausärzte - Tipps für Kommunen
Kinderärztin bei Behandlung einer Patientin
Gerade in strukturschwächeren Gebieten sind Kinderärzte mitunter rar, Hausärzte werden dringend gesucht.
© 123rf.com

Medizinische Versorgung

Mehr Kinderärzte und Hausärzte - Tipps für Kommunen

von Dorothea Walchshäusl
Reporterin | KOMMUNAL
20. Januar 2023
Die Grippe- und Erkältungswelle hat Deutschland fest im Griff und insbesondere die Kinder- und Jugendarztpraxen sind überlastet. Dabei gibt es ohnehin schon einen Mangel an Kinderärzten, insbesondere in ländlichen Gebieten. Noch mehr fehlen Hausärzte. Wir haben uns mit einem Experten darüber unterhalten, was die Kommunen tun können, um dies zu ändern. Er sagt: "Um einen Arzt ins Dorf zu holen, muss eine Kommune genauso agieren, wie wenn sie einen Betrieb ins Dorf holen will."

Herr Stahl, als Pressesprecher der Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) haben Sie intensiv Einblick in die Situation in den Kinderarztpraxen. Wie ist die Lage?

Roland Stahl: Die Praxen sind derzeit massiv überlaufen, in den Krankenhäusern sind die Betten voll belegt und entsprechend überlastet sind die Ärzte in den Niederlassungen. Der Auslöser hierfür ist die ungewöhnliche Häufung der Infektionen. Da ist nach wie vor Corona, hinzu kommen das RSV-Virus und die Grippe. Dass alles gleichzeitig auftritt, ist sehr ungewöhnlich. Eine Erklärung dafür ist unter anderem, dass unsere Immunsysteme in den vergangenen zwei Jahren der Pandemie und des reduzierten Kontakts etwas anfälliger geworden sind. Aber dass es nun zu solchen Engpässen kommt, hat natürlich auch strukturelle Gründe.

Welche Gründe sind das?

Dadurch, dass die Bettenzahl bei den Krankenhäusern in den letzten Jahren erheblich reduziert worden ist und die Angebote im stationären Sektor weniger sind, bleiben als Ausweichmöglichkeit oft nur die niedergelassenen Praxen und folglich sind diese jetzt gerade extrem voll.

Roland Stahl, Pressesprecher der KBV
Roland Stahl, Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV)

Abgesehen von der aktuellen Infektionswelle – wie ist die Versorgungslage generell im Kinderarztbereich?

Es gibt derzeit 139 offene Sitze für Kinderärzte deutschlandweit. Das ist im Vergleich zu den Hausärzten nicht dramatisch – dort sind über 4000 Sitze offen. Allerdings stehen die Kinderärzte unter den Fachärzten an der Spitze derjenigen, die gesucht werden, direkt nach den Nervenärzten.

Warum ist der kinderärztliche Fachbereich so wenig attraktiv für angehende Mediziner?

Darüber kann man nur spekulieren. Die kinderärztliche Fachrichtung wird von den Medizinstudenten offensichtlich nicht favorisiert. Wir versuchen deshalb seit einigen Jahren vermehrt, das Thema Niederlassung stärker im Medizinstudium zu verankern, weil die Studenten häufig nur den Krankenhausbereich kennen. Dir Attraktivität des Berufes muss stärker dargestellt und erlebbar werden – da sind natürlich wir und die Berufsgruppen gefragt. Man darf bei alledem aber nicht außer Acht lassen: Rein von der Statistik her ist die Versorgungslage in Deutschland immer noch gut. Man darf nicht vergessen: So kurze und schrankenlose Wege, wie wir sie haben zur Niederlassung und zum Krankenhaus, das ist international einmalig.

Wenn man die offenen Stellen im Kinderarzt-Bereich anschaut – wie ist hier die regionale Verteilung?

Generell gibt es vor allem in strukturschwachen Regionen offene Sitze. Das kann auch strukturell benachteiligte Gebiete in Großstädten betreffen, vor allem aber geht es hier um dörfliche Regionen mit wenig Infrastruktur. Oft gibt es da nicht mal mehr einen Tante-Emma-Laden und ist der Arzt der Letzte, der noch die Fahne hochhält. Wenn dieser dann die Praxis schließt, ist es keine Selbstverständlichkeit, dass diese auch wiederbesetzt wird. Das Durchschnittsalter eines Arztes liegt im Moment statistisch bei 53/54 Jahren….da kann man sich ausrechnen, dass es eine Welle geben wird, wenn diese Ärzte alle in Rente gehen. Hinzu kommt, dass sich generell die Ansprüche an die Work-Life-Balance sehr gewandelt haben und viele junge  Ärzte heute erstmal lieber in Angestelltenverhältnissen arbeiten wollen als selbst eine Praxis zu übernehmen. Die klassische Einzelpraxis ist zwar immer noch die dominante Praxisform, aber sie geht zunehmend zurück und wird durch kooperative Modelle abgelöst

Gibt es besonders vom Ärztemangel betroffene Regionen?

Wir stellen fest, dass von den Medizinern wie auch von anderen gesellschaftlichen Gruppen generell Ballungsräume und Mittelzentren als attraktiv wahrgenommen werden, also die großen Städte und die jeweiligen Speckgürtel drumherum. Gegenden, die sehr ländlich geprägt sind und in denen es wenig Infrastruktur gibt, haben hingegen deutliche Probleme. Das gilt für das gesamte Bundesgebiet, ob nun für Sachsen, den Bayerischen Wald oder das Sauerland, um nur einige Gebiete zu nennen.

Was können Kommunen  tun, um für Kinderärzte ein attraktiver Arbeitsplatz zu werden?

Um einen Arzt ins Dorf zu holen, muss eine Kommune genauso agieren, wie wenn sie einen Betrieb ins Dorf holen will. Da geht es letztlich um Standortmarketing und ganz praktische Dinge. Wenn ein Arzt sich niederlässt, ist er meist um die 30, 35 Jahre alt. Mit der Wahl seines Arbeitsplatzes trifft er eine Lebensentscheidung und diese betrifft seine ganze Familie. Deshalb ist entscheidend, wie der Standort ist, wie die Kindergarten- und Schulversorgung, ob es eine Arbeitsstelle für den Lebenspartner gibt und welche Unterstützung seitens der Kommune kommt. So kann diese etwa beim Finden einer Mietwohnung behilflich sein, sie kann Praxisräume zur Verfügung stellen, Praxiseinrichtung… All das sind Dinge, die im Einzelfall helfen können. Hinzu kommen schlicht gesagt ein gutes W-lan und eine gute Zugverbindung in die nächst gelegenen größeren Städte.

Welchen Wert hat interkommunale Kooperation bei der Ansiedlung eines Kinderarztes?

Gerade in Gegenden mit wenig Bewohnern wie zum Beispiel in der Uckermark kann es absolut Sinn machten, wenn sich Kommunen zusammenschließen und gemeinsam agieren, um die Gesundheitsversorgung zu sichern und zumindest einen Kinderarzt in der Region zu halten. Oft lohnt sich auch eine Kooperation mit der KV, um die Kräfte zu bündeln. Das kann sich auch bewähren, wenn es um die Bedarfsplanung geht. Ein Kassensitz wird ja langfristig geplant und diese Planungen können auch ergänzt werden. Wenn ein zusätzlicher Bedarf in einer Region festgestellt wird, können zusätzliche Sitze eingerichtet werden. Wobei die Planung nur das eine ist. Das andere ist es, auch tatsächlich einen Arzt zu finden.

Wie schätzen Sie die künftige Entwicklung ein?

Ich bin Optimist und sicher, dass die medizinische Versorgung der Kinder auch in Zukunft gewährleistet sein wird. Minister Lauterbach hat ja verkündet, dass er die Kinderarzt-Leistungen aus der Budgetierung rausnehmen möchte. Das wäre finanziell natürlich ein attraktiver Anstoß für angehende Kindermediziner. Klar ist: ein Medizinabsolvent kann sich heute aussuchen, wo er arbeiten will und was er machen will. Deshalb ist auch klar: die Bürgerinnen und Bürger müssen zunehmend die Bereitschaft mit sich bringen, gerade in strukturschwächeren Gebieten längere Wege zum Arzt in Kauf zu nehmen. Das alte Prinzip „jedes Dorf ein Arzt“ wird nicht mehr funktionieren.

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